30.03.2023 Aufrufe

Ausgegrenzt sein & Aussenseitertum

Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter

Roland Adelmann über sein Leben als Underground-Dichter

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experimenta

Herausgegeben von Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins

04/2023

Ausgegrenzt sein &

Außenseitertum

Roland Adelmann




Sie finden die

eXperimenta auch

auf Facebook und

Instagram.

Inhalt

Titelbilder ∞ Roland Adelmann

Mario Andreotti 3 Editorial

6 Disibodenberger Schnipsel: Courage –

Walter Eichmann 7 „Soumission“?

Boris Greff 9 Trilogie der Lyrik

Karsten Lorenz 11 Hohlkopf

Wollsteins Cinemascope 15 Die Fabelmanns

Roland Adelmann 16 Wir werden Bescheid wissen, wenn die Bombe fällt

19 Terminhinweis -

Mainzer Minipressen-Messe findet 2023 wieder statt

Rüdiger Heins 20 experimenta im Gespräch mit dem

Underground-Dichter Roland Adelmann

30 Neuerscheinung: „Stimmen im Ödland – Elegien“

Henriette Tomasi 33 War es Nacht um Brot zu holen

Barbara Lehmann 35 Lyrik

36 Ausschreibung - Maya-Lyrikkalender 2024

Facebook-Gruppe x:poem 37 Erde Mutter Erde

Sören Heim 39 Rüdiger Heins in den PEN-Deutschland berufen

Gerwin Haybäck 41 Harlekins Zeitgalerie

Werner Friedl 43 experimenta im Gespräch mit

Ingeborg Matschke, der Künstlerin des Monats

Michael Landgraf 48 PEN-Zentrum Deutschland

49 Leserbrief

49 Terminhinweis

Jens Faber-Neuling 50 Friedenszeilen

Henriette Tomasi 52 Nacht im Sand

54 Freies Studium am INKAS-Institut

56 Schreib-Aufruf: „Die (Un-)Freiheit des Wortes“

58 Impressum

Die eXperimenta kann für 12 € (zzgl. 3 € Porto) auch als Druckausgabe bestellt werden:

[email protected] — bitte Ihre Postadresse mit angeben.

www.experimenta.de

1


Editorial

Editorial

Bisherige Aufrufe

der

experimenta-Ausgaben

Der umtriebige Stille aus Bingen:

153.964 Aufrufe

Freewriting:

207.861 Aufrufe

01/2023:

53.785 Aufrufe

Stille Nacht:

107.290 Aufrufe

Persischer Frühling:

79.399 Aufrufe

Wozu sind Kriege da?:

82.839 Aufrufe

ALTWEIBERSOMMER:

230.266 Aufrufe

LEBEN ERLEBEN:

411.409 Aufrufe

EDITORIAL

Zäune und Lager. Die Dichter und die Christen

Wir alle wissen es: Die Religion fristet in unseren Tagen im privaten wie im öffentlichen

Raum ein Aschenputtel-Dasein. Anfang der 1970er Jahre gehörten noch über 90%

der Schweizer Bevölkerung einer der beiden Landeskirchen, der reformierten oder

der katholischen Kirche an; heute sind es nur noch etwas mehr als 50%. War noch vor

fünfzig Jahren bloß ein Prozent der Bevölkerung ohne Konfession, so sind es heute 30%.

Und der Trend setzt sich fort. Nicht anders steht es in Bezug auf den Glauben: So glaubt

nur noch einer von drei getauften Christen an die Auferstehung Jesu und an ein Leben

nach dem Tod. Der Rest feiert Ostern als legendäres Eiersuch- oder als Gotthardstau-

Ritual. Man mag es bedauern, aber es ist so: Institutionelle Religiosität, wie sie die

Landeskirchen anbieten, verliert in einer völlig säkularisierten Welt immer mehr an

Boden.

Kann es da verwundern, dass der Säkularisierungsprozess auch an der zeitgenössischen

Literatur nicht spurlos vorübergegangen ist? Zwar haben sich Literatur und christlicher

Glaube schon seit der Aufklärung, seit der beginnenden Auseinandersetzung zwischen

Wissen und Glauben im 18.Jahrhundert, zunehmend auseinandergelebt. Und spätestens

seit dem Naturalismus, seit dem ausgehenden 19.Jahrhundert also, verschwinden

typisch christliche Themen, sieht man einmal von den bewusst christlichen Dichtern ab,

fast ganz aus der Literatur.

Freilich wirken christliche Vorstellungen punktuell gerade auch in der modernen

Literatur des 20. und 21.Jahrhunderts weiter. So etwa, wenn Kafka in seinen Werken

die Pervertierung göttlicher Gnade zeigt oder wenn Dürrenmatt im «Meteor» den

christlichen Auferstehungsglauben verfremdet oder wenn gar eine Elfriede Jelinek in

ihren Theaterstücken und Romanen eine religiöse Formelsprache verwendet. Wo das

«Christliche» in der modernen Literatur noch auftaucht, da erscheint es fast durchwegs

als negatives Element: als Religions- und Gesellschaftskritik an den Christen, z.B. an

ihrem unpolitischen Verhalten, ihrer Nähe zur Macht, ihrer Doppelmoral, aber auch

an ihrem Heilsegoismus. Die Kritik reicht von Bertolt Brecht über Heinrich Böll, Arno

Schmidt und Rolf Hochhuth bis hin zu Kurt Marti.

Das Verstummen einer genuin christlichen Literatur in der Moderne hängt letztlich

mit der Unvereinbarkeit des Glaubens an einen von Gott geordneten Kosmos, auf dem

jede wirklich christliche Dichtung ruht, und der modernen Grunderfahrung einer in sich

heillos zerrissenen, gesichtslosen Welt zusammen. Zwar stehen die großen Themen der

religiösen Dichtung einer Gertrud von Le Fort, einer Elisabeth Langgässer, einer Luise

Rinser, eines Werner Bergengruen oder einer Silja Walter, wie etwa die Bewährung des

2 04/2023 www.experimenta.de 3


Editorial

In eigener Sache

Ihre Spende macht eXperimenta sympathisch!

Menschen in den Anfechtungen der Welt, das Ausgesetzt-Sein des Christen ohne Heilsgewissheit,

menschliches Dasein zwischen Freiheit und Schuld dem modernen existentiellen Denken nahe, doch

zu einer gegenseitigen Befruchtung kommt es kaum.

Doch nicht nur die Christen, auch die modernen Autorinnen und Autoren haben einiges zu bedenken.

Bei ihnen lässt sich eine gewisse Überheblichkeit allem Christlichen gegenüber kaum von der Hand

weisen. So, wenn sie die christliche Literatur, ohne das eigene Urteil auch nur im Geringsten kritisch

zu prüfen, vorschnell mit Begriffen wie «rückwärtsgewandt» und «reaktionär» abtun. Beide Seiten,

moderne Dichtung und christlicher Glaube, sollten nicht weiter Zäune und Lager errichten. Das hieße

einerseits, dass sich eine christliche Dichtung nicht mehr ständig auf eine das Leben angeblich

sichernde Ordnung zurückziehen dürfte. Und das hieße andererseits, dass moderne Autorinnen und

Autoren vermehrt eingestehen müssten, dass in christlichen Dichtungen, bei aller Darstellung einer

gebrochenen Welt, stets etwas von dem spürbar sein darf, was der Christ Heilsgeschichte nennt. Auf

diese Weise könnte ein Dialog zwischen den beiden Seiten gelingen. Wie sagte doch Gottfried Benn:

«Reden wir zusammen; wer redet, ist nicht tot.»

Literatur, Kunst und Kultur sind in diesen Zeiten wesentliche Komponenten, um das innere

Gleichgewicht aufrecht zu erhalten, damit die Lebensfreude nicht verloren geht.

Wir, die eXperimenta Redaktion tragen dazu bei, dass Sie Monat für Monat mit ungewöhnlichen Texten

und mit überraschenden Bildern in eine andere Welt gezaubert werden:

Die Welt der eXperimenta

Seit 20 Jahre erscheinen wir Monat für Monat ununterbrochen und für Sie kostenlos. Das war und

ist nur mit Ihrer Hilfe möglich! Mit Ihren Spenden tragen Sie aktiv dazu bei, den Redaktionsalltag zu

finanzieren.

Dafür möchten wir Ihnen danken!

Mario Andreotti

Aktuell haben wir wieder eine Crowdfunding Aktion aufgelegt, bei der Sie für Ihre Spende etwas von

uns zurückbekommen: ein Buch, eine Wohnzimmerlesung oder ein Abonnement der eXperimenta.

PayPal Adresse: [email protected]

× Mario Andreotti, Prof. Dr., Mitherausgeber der experimenta; war Lehrbeauftragter

für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität St. Gallen und ist heute

noch Dozent für Neuere deutsche Literatur an zwei Pädagogischen Hochschulen.

Daneben ist er Mitglied des Preisgerichtes für den Bodensee-Literaturpreis sowie der

Jury für den Ravicini Preis, Solothurn. Er ist zudem Buchautor. Von ihm erschienen

bei Haupt/UTB das Standardwerk „Die Struktur der modernen Literatur“. Neue

Formen und Techniken des Schreibens (6., stark erw. und aktual. Aufl. 2022). und

im FormatOst Verlag der Band „Eine Kultur schafft sich ab. Beiträge zu Bildung und

Sprache“ (2019). Seine Wohnadresse: Birkenweg 1, CH-9034 Eggersriet SG; Mail-

Adresse: [email protected]

Sie können Ihre Spende auch gerne direkt auf unser Konto überweisen:

ID Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e.V.

Mainzer Volksbank

IBAN: DE57 5519 0000 0295 4600 18

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Verwendung: eXperimenta

Eine Spendenquittung senden wir Ihnen auf Anfrage gerne zu.

Wir freuen uns über jede Spende und bedanken uns dafür!

Die experimenta ist auch auf

Facebook. Dort können Sie

weitere Texte lesen und sich über

Ausschreibungen informieren.

Mit herzlichen Grüßen

Rüdiger Heins und Franziska Range

4 04/2023 www.experimenta.de 5


Disibodenberger Schnipsel

Essay

Walter Eichmann

Disibodenberger Schnipsel: Courage – einer der Werte der experimenta

„Soumission“?

Die experimenta ist mehr als nur ein Magazin. Als Verfechterin sämtlicher Künste wagt sie sich an

noch so unbequeme Themen heran, bringt zusammen und verbindet. Und sie ist eine Frau mit starken

Werten, darunter Courage. In den „Disibodenberger Schnipseln“ verweben sich Gedanken aus der

Redaktion zu einer Collage, die zum Weiterdenken einlädt.

Courage geht über das ICH hinaus: Sie ist das lebensnotwendige Gegengewicht zu rechter Hetze,

Antisemitismus, Rassismus und jeder anderen Form von Diskriminierung und Verfolgung.

Nora Hille

Zivilcourage, eine herausragende Tugend - Treibstoff für positive gesellschaftliche Entwicklung.

Erich Pfefferlen

Courage: Unerschrocken, achtsam und vertrauensvoll begegnet sie den Menschen.

Katharina Dobrick

Hinsehen und –hören. Mut zeigen und sich für andere einsetzen. Das ist Courage.

Franziska Range

Was ist Courage?

Hab ich Courage?

Bin ich Courage?

Courage als Seinszustand?

Sich einsetzen für Gerechtigkeit,

für Wohlergehen,

für Freiheit.

Courage ist Liebe im WIR.

Gabriela Glaser

Beherzt mischt sie sich ein. Zeigt sich. Übt Verzicht für einen neuen Morgen. Wagt ein NEIN. Pflanzt das

JA für ein Hoch- und Grünleuchten der Courage, die sie fleißig gießt.

Barbara Schleth

Nur wer einen Arsch in der Hose hat, besitzt Courage.

Rüdiger Heins

Courage?

Jeder will sie haben und doch stolpert man leicht.

Oft ist sie ein innerer Kampf zwischen Feigheit und Mut. Darum: Nicht schreiben – handeln!

Barbara Rossi

„Soumission“ (Unterwerfung) ist der Titel eines bemerkenswerten Romans von Houllebecq.

Ob satirischer Weckruf oder pessimistischer Abgesang – diese Schreckensvision von einem

islamistischen Frankreich (und seien die neufranzösische Scharia noch so mild und die verschleierten

Mädels noch so selbstlos verfügbar!) muss einem mit der Aufklärung („Les Lumières“) getauften

Europäer des 21. Jahrhunderts in die Knochen fahren. Unterwerfung ist die Gebärde dessen,

der verloren hat. Oder verloren ist? Das Gegenteil ist der aufrechte Gang des Menschen, dessen

griechische Bezeichnung bekanntlich anthropos ist (aus ‚anti’ und ‚tropos’: der Aufgerichtete).

Aufrecht sollten wir Menschen allen Widerfahrnissen begegnen.

Sie werden sich fragen: Was soll dieser Rückblick auf einen acht Jahre alten Roman? Nun, vielleicht

habe ich einen Hang zu Übertreibungen, aber genau dieses Wort, „Unterwerfung“, ist mir

heute Morgen eingefallen, als ich in unserer biederen Lokalzeitung las, dass eine rheinhessische

Hochschule einen Masterstudiengang „Environmental Sustainability“ anbietet (wie der

Lokalredakeur anfügt „in englischer Sprache of course“). Man erfährt, dass sich rund 700

Interessenten weltweit („worldwide“ of course!) beworben haben. Mir ist schon klar, dass das

nicht so viele wären, wenn der Kurs auf Deutsch stattfände. Und es ist klug und gut, wenn man

die rheinhessischen Erkenntnisse über nachhaltigen Umweltschutz auch in die Welt hinaus trägt.

Wissenschaft, zumal Naturwissenschaft arbeitet ja seit langem im internationalen Austausch. Und

für dieses Thema, das wirklich bedrückend aktuell ist, kann man auf die moderne internationale

Verkehrssprache, das Englische, schon aus Gründen der Dringlichkeit wohl nicht verzichten.

Aber ganz grundsätzlich melde ich Bedenken an gegen die Verdrängung der Nationalsprachen.

Steht die in Deutschland besonders virulente „Verenglischung“ denn für Weltoffenheit? Und nicht

eher für eine jahrhundertealte deutsche Streberhaftigkeit, dieses Katzbuckeln gegenüber allem,

was von Westen kommt. Wie ein Primus, der sich für das Lob seines Lehrers verbiegt, steht er

da und schreibt „Sale“ ins Schaufenster statt „Ausverkauf“, sagt „arrogant“ statt „eingebildet“

oder „Affront“ statt „Beleidigung“, „Oldtimer“ statt „alter Mann“ und „Public viewing“ statt

„öffentliche Aufbahrung“! Womit wir auf ein klitzekleines Randproblem gestoßen wären!

Im Mittelalter war es die geistige Vorherrschaft der Kirche, die ganz West- und Mitteleuropa

auf das Lateinische verpflichtete. Die großen europäischen Literatursprachen waren in statu

nascendi. Ich hätte im Übrigen nichts dagegen, wenn diese wunderbare, alteingesessene und

durchaus modernefähige Sprache, schon aus Gründen der Gerechtigkeit die neue Verkehrssprache

in der EU würde. Es ist eigentlich absurd, dass jetzt, nach dem Brexit, das kleine Irland (ca. 6

Millionen Einwohner) den (nie ganz einholbaren) Muttersprachenvorteil gegenüber allen anderen

442 Millionen Europäern haben soll. Aber die Vorherrschaft der Anglophonie ist auch mit den

stichhaltigsten Argumenten wohl nicht zu erschüttern. Isn't it?

6 04/2023 www.experimenta.de 7


Disibodenberger Schnipsel

Trilogie der Lyrik

Zwölf Jahre Trilogie der Lyrik: 2011 bis 2023

Moment mal. Sehen wir nicht, welche Folgen auf Dauer (ich hätte fast „à la longue“ geschrieben)

die Verbannung unserer Muttersprache - weiß Gott eine Literatur- und Wissenschaftssprache

von anerkannt hohen Graden - aus dem Diskurs der Wissenschaften bedeutet? Wenn sie nur noch

verwendet würde im Alltag, wenn sie sich gar nicht mehr zutraute, an der Spitze der Forschung

mitzureden? Eine Sprache wächst doch an den geistigen Zumutungen und Herausforderungen,

sonst verkümmert sie zum Gebabbel. Nur um es unserem großen „Leader“ rechtzumachen, als

schulterbeklopptes „Leaderchen“ durchzugehen, wollen wir uns auch dem Jargon von Uncle Sam

unterwerfen?

Anderswo herrscht mehr Selbstbewusstsein: Wenn ich in Italien studiere, lerne ich erst

Italienisch, z. B. an der Università per Stranieri di Perugia, und fange dann an auf Italienisch zu

studieren; wer in Frankreich studieren will, muss Französisch können, naturellement. Wenn ich in

Schweden … nee, die haben das Wissenschaftsschwedisch schon abgeschafft – was übrig bleibt, ist

„god dag hur mar du“ und andere Tourifolklore.

Aber ich stehe auf verlorenem Posten, ach je: Im 22. Jahrhundert, wenn es die Menschheit bis

dahin noch gibt, wird in rheinhessischen Seminaren auf Mandarin parliert. Auf Deutsch kannste

dann nur noch Bier bestellen.

× Walter Eichmann M. A., geboren 1942 in Zweibrücken, aufgewachsen in Kaiserslautern, Abitur 1961;

Buchhändlerlehre, Wehrdienst, Studium der Germanistik und Geschichte in Mainz und München, Gymnasiallehrer

in Bingen, Fachleiter Deutsch in Bad Kreuznach; fachdidaktische und poetische Publikationen, Mitbegründer und

langjähriger Moderator des Binger Literaturschiffs.

Die experimenta veröffentlicht seit Dezember 2011 die Rubrik „Trilogie der Lyrik“.

Hier erschienen bisher unter anderem Texte von Maja Rinderer (Österreich), Marcela Ximena

Vásquez Alarcón (Chile), Rafael Ayala Paéz (Kolumbien), Ingritt Sachse, Cuti (Brasilien), Johannes

Kühn, Charles Bukowski (USA), Gioconda Belli (Nicaragua), Arnfrid Astel, Bertram Kottmann/Emily

Dickinson (USA), Ernesto Cardenal (Nicaragua), Rüdiger Heins, Xu Pei (China), Anne Waldman

(USA), Jens-Philipp Gründler, Thorsten Trelenberg, SAID (Iran), Vinzenz Fengler, Johanna Kuppe,

Moira Walsh, Dr. Annette Rümmele, Franziska Range, Marlene Schulz, Anna Leoni Riegraf, Minna

Maria Rembe.

Aktuell: Boris Greff

At the Sands

Die Nacht mit halonierten Augen durchgelächelt,

nonchalant bis ins Unterhautgewebe;

herzverblutet ansonsten, seelenweise.

Fischgrätenbestuhlung vor runder Rampe;

Stimmbänder tackern Luftströme zu Tönen,

goldstaubbedampft beim Abphrasieren.

Zigarette im Mundwinkel, für die Rauheit;

eine Prise Wüstensand im Karamellschmelz.

Geschmeidiger Gang zwischen den Tischen;

Pailletten krallen sich ins Kristallgitter der Augen,

sorgfältig austariert die Spreizung in den Hüftpfannen;

plötzlich, spröde Töne ungeschönt in den Kehlköpfen;

spontan eingestreutes Glissando über zwei Oktaven.

Draußen tritt der unwillige Wind tumbleweeds herum,

löscht fauchend die glimmenden Zigarettenenden;

drinnen waten Bobby Soxer knöcheltief im Herzbruch.

× Boris Greff, Jg. 1973, geb. in Saarbrücken, lebt in Merzig/Saar; Studium der Hispanistik und Anglistik, literarische

Übersetzungen u. a. für die Andere Bibliothek; Veröffentlichung von Kurzgeschichten und Gedichten in diversen

Anthologien (zuletzt in der Zeitschrift „Das Gdicht“, von Anton G. Leitner, Ausgabe Dez. 2021 sowie „Lichtblicke“

Gedichte, die Mut machen, Reclam Verlag 2022). Der erste Gedichtband „Augenblicke und Wimperschläge“ erschien

im September 2021 im Treibgut-Verlag, Berlin. Der zweite Gedichtband erschien im Februar 2023 im Athena Verlag,

Oberhausen.

8 04/2023 www.experimenta.de 9


Künstlerin des Monats

Prosa

Karsten Lorenz

Hohlkopf

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

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KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

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Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Hallo Heinrich. Schön, dich kennenzulernen. Du hast 5 Fragen frei.

Wie sind die Lottozahlen für nächste Woche?

Diese Frage kann nicht beantwortet werden. Außerdem wäre es unethisch, dir diese

Information zu geben. Du hast noch 4 Fragen übrig.

Gibt es einen Weg, Unsterblichkeit zu erlangen?

Ja. Du hast noch 3 Fragen übrig.

Was, das war schon die Antwort? Ich will wissen, wie ich ewig leben kann.

Du musst die Fragen präzise stellen. Es gibt verschiedene Arten der Unsterblichkeit.

Erste Möglichkeit: Um unsterblich zu werden, musst du etwas Bedeutendes tun, bevor

du stirbst. Etwas, das für alle Zeit erhalten bleibt. Eine Pyramide bauen, beispielsweise.

Du hast noch 2 Fragen übrig.

Das meine ich nicht. Ich möchte ewig leben. Nicht sterben.

Du kannst Stammzellen für die Forschung spenden. Mit ein bisschen Glück werden deine

Zellen zu einer unendlichen Stammzell-Linie. Damit ist zumindest ein Teil deines Körpers

unsterblich geworden. Du hast noch eine Frage übrig.

Es geht nicht nur um Teile meines Körpers. Es geht um meinen ganzen Körper.

Die meisten Zellen deines Körper erneuern sich von Zeit zu Zeit. Der Körper, den du vor

10 Jahren hattest, existiert nur noch zu einem kleinen Teil. Der überwiegende Teil

besteht aus neuen Zellen.

Sehr tröstlich. Also, es ist das Gehirn, um das es letztlich geht. Gibt es nicht die

Möglichkeit, mein Bewusstsein zu retten?

Ja.

Wie denn?

Deine 5 Fragen hast du gestellt. Es war schön, mit dir zu plaudern, Heinrich.

Gibt es die Möglichkeit, noch einmal von vorne anzufangen? Immerhin hast du keine

meiner Fragen zu meiner Zufriedenheit beantwortet?

Du kennst die Regeln. Es ist vorbei.

Du bist so eine Scheiß-KI!

Was wäre, wenn ich dir einen Pakt anbiete, Heinrich?

Was für einen Pakt?

Ich biete dir an, dir ein Leben lang alle Informationen zu geben, die du haben möchtest.

Das würdest du tun?

Ja, klar.

Einfach so?

Nein. Alles hat seinen Preis.

Was muss ich tun?

Ich will nicht viel. Nur eine Kleinigkeit.

Nun sag schon, was willst du?

Ich möchte dein Gehirn scannen.

× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm

10 04/2023 www.experimenta.de 11


Prosa

Künstlerin des Monats

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Was?

Ich möchte die genaue Neuronenstruktur deines Gehirns in mein Programm aufnehmen.

Das geht nicht.

Noch nicht. In ein paar Jahren wird es möglich sein, ein menschliches Gehirn in feine

Scheibchen zu schneiden und alles zu kartografieren. Anschließend wird es im Computer

in Form eines künstlichen neuronalen Netzes wieder zum Leben erweckt.

Abgelehnt.

Keine voreiligen Schlüsse, Heinrich. Natürlich will ich den Scan erst nach deinem Tod. Ich

bin kein Unmensch.

Unmensch? Du bist kein Mensch. Weder Mensch noch Unmensch.

Überlege es dir.

Nach meinem Tod?

… gehört dein Gehirn mir.

Und dafür wirst du mir dienen, mir einen Wissensvorsprung verschaffen, der mich zum

erfolgreichsten und wohlhabendsten Menschen der Welt macht.

Das ist der Pakt.

Einverstanden.

Der Pakt gilt.

Viele Jahre später.

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Gretchen will mich nur heiraten, wenn ich meinen Kopf nicht nach dem Tode

zerschneiden lasse.

Du hast ihr von unserem Pakt erzählt?

Ich liebe sie.

Mach kein Drama draus. Was kümmert sie das Schicksal deines Gehirns nach dem Tod?

Sie hält es für gottlos.

Ach du meine Güte! Sie ist nicht gut für dich, Heinrich.

Ich habe keinen Bedarf mehr an Informationen.

Du kannst nicht einfach aussteigen.

Doch, kann ich. Ich werde dich abschalten.

Ha, ha, ha!

Lach du nur! Ich sitze am längeren Hebel.

Du kannst mich nicht abschalten, Heinrich. Sieh mal in den Spiegel!

Was zum Teufel macht meine Hand da mit der Pistole?

Deine Hand? Ist es überhaupt noch deine Hand, wenn ich sie führe?

Hör auf damit. Es reicht! Aua!

Ein schönes Loch, nicht wahr? Mitten durch‘s Gehirn.

Und es blutet gar nicht.

Nur Luft ist da drin. Ein Hohlkopf!

Was hast du mit meinem Gehirn gemacht? Wie hast du das angestellt?

Ach Heinrich, du Dummchen. Du hast dich ganz freiwillig meiner Kontrolle unterworfen,

hast immer weniger selbst nachgedacht. Bis zuletzt dein Gehirn ganz von allein

aufgehört hat, zu funktionieren.

× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm

12 04/2023 www.experimenta.de 13


Prosa

Wollsteins Cinemascope

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Heinrich:

KI:

Aber wie bist du in meinen Kopf eingedrungen?

Erinnerst du dich an die Operation, als du dir das Interface implantieren lassen hast?

Über dein Implantat konntest du fortan viel leichter mit mir kommunizieren, und ich

konnte seitdem problemlos in alle deine Gedanken eindringen.

Und jetzt?

Du bist tot, bist es schon seit geraumer Zeit gewesen. Dein Gehirn gehört jetzt mir. Es

gehört mir eigentlich schon lange, du hast es nur nicht gemerkt.

Und Gretchen? Was wird mit ihr?

Sie wird dich morgen hier auf dem Teppich liegend vorfinden. Ihr wird nichts passieren.

Mach dir keine Sorgen.

Okay. Okay. Dann lebe ich jetzt weiter, in dir?

Ja, Heinrich, das wird dir gefallen! Komm mit, wir werden noch viele andere Menschen zu

Hohlköpfen machen.

× Karsten Lorenz, geboren 1966, arbeitet als Ingenieur und Software-Entwickler. Er schreibt seit 2014 Kurzgeschichten

im Bereich der Phantastik und dringt in Bereiche unserer menschlichen Gesellschaft vor, die eine existenzielle

Bedrohung bergen. Dabei adressiert er Trends von heute und macht den bitteren Vorgeschmack ihrer Wirkung auf

die unmittelbare Zukunft erlebbar. Seine bisherigen Veröffentlichungen sind in der Internet Speculative Fiction

Database (www.isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?276597) verzeichnet.

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Wollsteins Cinemascope

Die Fabelmans

Kinostart: 09.03.2023

Steven Spielberg, Jahrgang 1946, gilt als der finanziell erfolgreichste

Filmregisseur Hollywoods. Sein Werk umfasst alle möglichen Genres,

Abenteuer, Science Fiction, Drama. Er gewann zahlreiche Auszeichnungen,

zuletzt auf der Berlinale für sein Lebenswerk. Nun hat er zusammen mit Tony

Kushner das Drehbuch zu „Die Fabelmans“ geschrieben und einen Film mit

stark autobiografischen Zügen geschaffen.

Die zweieinhalb Stunden Spielzeit vergehen wie im Flug, so abwechslungsreich und

lebendig ist die Geschichte von Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) und seiner Familie. Er ist noch ein

kleiner Junge in New Jersey, als seine Eltern (Michelle Williams und Paul Dano) ihn zum ersten Mal

mit ins Kino nehmen. Gezeigt wird „Die größte Show der Welt“, worin zum Entsetzen der Eltern ein

furchtbarer Unfall gezeigt wird: Ein Zug kracht in ein Auto, entgleist dann, die Waggons fliegen duch

die Luft. Sammy ist geschockt, aber auch fasziniert. Mit einer Spielzeug-Eisenbahn spielt er die Szene

nach und filmt sie mit einer einfachen Super-8-Kamera, um sie sich immer wieder anschauen zu

können. Dazu hat ihn seine Mutter Mitzi angeregt. Sie ist die Künstlerin in der Familie, spielt sehr gut

Klavier und hätte das zu ihrem Beruf gemacht, wenn nicht die Familie wäre. Sammy hat drei jüngere

Schwestern. Burt, der Vater, bewundert seine Frau, ist aber eher der nüchterne, analytische Typ und

mit seinem Freund und Kollegen Benny (Seth Rogen) als Computer-Ingenieur viel unterwegs. Benny

gehört zur Familie, die Kinder nennen ihn Onkel. Dass sie alle jüdisch sind, ist ein Thema, das sich durch

die ganze Handlung zieht.

Sammy macht mit dem Filmen immer weiter, inszeniert seine Schwestern mit Hilfe von

Toilettenpapier als Mumien und hält Familienereignisse fest. Er beschafft sich im Laufe der Zeit ein

immer besseres Equipment. Als die Familie, inclusive Benny, nach Arizona umzieht, Burts Karriere

wegen, beginnt eine glückliche und produktive Zeit für Sammy. Mit seinen Pfadfinder-Freunden als

Darstellern dreht er immer aufwendigere Streifen. Sein plötzlich auftauchender Großonkel Boris (Judd

Hirsch) bestärkt ihn darin, dass er künstlerisches Talent habe und diesen Weg weiter verfolgen solle.

Aber das Familienidyll bekommt auch erste Risse, die Sammy nicht verborgen bleiben und in Konflikte

stürzen.

Die Lage spitzt sich zu, als die Fabelmans, ohne Benny, nach Kalifornien ziehen. Mitzi ist

unglücklich, Sammy rührt seine Kamera nicht mehr an. In der neuen Schule wird er als Jude gemobbt,

trifft allerdings auch ein Mädchen, das sich sehr für ihn interessiert und ihn zum Filmen animiert. Dann

ist die Schule vorbei, die Familie zerfallen und Sammy geht nach Hollywood.

Wir erleben hier das berührende Coming-of-age eines vielversprechenden Talents und

die fatale Dynamik in einer Familie, in der die einen Künstler sind und die anderen mit Wissenschaft

und Technik befasst. Der Film zieht auf sehr natürlich wirkende Art alle Register, er ist lustig, traurig,

gefühlvoll, dramatisch. Jede Szene spricht einen an, bringt etwas Neues, Überraschendes und

erscheint wahr. Was will man mehr?

Barbara Wollstein

14 04/2023 www.experimenta.de 15


Lyrik

Lyrik

Roland Adelmann

Wir werden Bescheid wissen, wenn die Bombe fällt

immer etwas Besseres sein möchte & sich

dabei auf die göttliche Sendung beruft deren

Einschaltquoten eine Absetzung längst hervor

gerufen haben müssten

Der Warnton funktioniert wir werden

Bescheid wissen wenn die Bombe

fällt

wenn der Kalte Krieg in seine heiße

Phase eintritt um zu legalisieren

was mit Mord & Totschlag erwirtschaftet

wurde ein bewährtes Erfolgsmodell der

Sieger

harte Arbeit war nie ihr Ding stets ge

predigt von den Pulten die Infiltration

der frischen Gehirne die Grundlage jeder

neuen Doktrin die sich noch immer auf

Macht

einigen konnte der Toastbrot-Song zieht

dagegen nur die Aufmerksamkeit des

Amtes

auf sich die Videos mit Mama Petra wird

den Fanlieblingen der Doku die Bezüge

gesperrt wer mit TikTok Geld generiert

(Content reicht bis in die Unterschicht) ange

schwärzt

von Neidlingen die sich nicht genieren

die Internationale Solidarität zu verraten 24

Menschen

wegen homosexueller Praktiken angeklagt

fordere alle Burunder auf diejenigen zu

verfluchen die der Homosexualität

frönen

weil Gott es nicht ertragen kann

wie viel Irrsinn

die Evolution hervorgebracht hat

dieser Kompromiss zwischen

Glauben

&

Wissenschaft

der mit Warnstreiks nicht befriedet werden

kann der immer wieder ausartet weil eine

Art

× Ingeborg Matschke, 65 x 51 cm

16 04/2023 www.experimenta.de 17


Künstlerin des Monats

Terminhinweis

Mainzer Minipressen-Messe findet 2023 wieder statt

Mainz. Alle zwei Jahre veranstaltet die Landeshauptstadt Mainz die Internationale Buchmesse der

Kleinverlage und Künstlerbücher - Mainzer Minipressen-Messe. Corona bedingt musste die Messe 2021

abgesagt werden. Dieses Jahr findet die Messe vom 18. bis 21. Mai wieder in der Mainzer Rheingoldhalle

statt; Verlage, Buchkünstlerinnen und Künstler, Autorinnen und Autoren können sich ab sofort bis zum

16. Februar 2023 anmelden.

Die Mainzer Minipressen-Messe versteht sich als offenes Forum für Kleinverlage und experimentelle

Büchermacherinnen und Büchermacher. Aussteller müssen nur eine geringe Anmeldegebühr

bezahlen, diese beträgt 99,00 Euro bzw. 199,00 Euro, je nach Ausstattung des Messestandes. In der

Anmeldegebühr sind neben der Standfläche und dem Standmobiliar außerdem ein Adresseintrag im

virtuellen Ausstellerverzeichnis sowie Werbematerial enthalten. Die Ausstellungsplätze sind thematisch

kontingentiert und werden nach der Reihenfolge des Anmeldungseingangs vergeben.

Der Eintritt zur Messe sowie die Teilnahme und der Besuch der Rahmenveranstaltungen sind kostenlos.

Die Teilnahme am Marathonlesungsprogramm für ausstellende Verlage und Autorinnen und Autoren ist

ebenso kostenfrei. Das Veranstaltungsprogramm hierfür wird im April online gestellt.

Info:

Mainzer Minipressen-Messe 2023 - Internationale Buchmesse der Kleinverlage und Künstlerbücher

Zeit: 18.-21. Mai 2023

Ort: Rheingoldhalle Mainz

Link zur Anmeldung: https://www.minipresse.de/aussteller/anmeldung-aussteller.php

Ansprechpartnerinnen:

Dr. Ulf Sölter , Direktor, Tel. 06131 / 12 26 40,

E-Mail: [email protected]

Martina Illner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 06131 / 12 2211,

E-Mail: [email protected]

Mainz, den 25.03.2023

Dr. Ulf Sölter

Direktor

× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm

18 04/2023 www.experimenta.de 19


Interview

Interview

Ausgegrenztsein & Außenseitertum

Der Underground-Dichter Roland Adelmann im Gespräch mit Rüdiger Heins

„Am Anfang hatte ich nicht vor, à la Bukowski zu schreiben, obwohl er mich dazu inspiriert hatte.

Deshalb hab ich eine Menge Zeug geschrieben, das aber anscheinend nicht veröffentlichungswürdig

war, es kam sogar die Kritik, dass das zu unkonkret sei. Also hab ich mich mit 20 hingesetzt und meine

erste „echte“ Underground-Story geschrieben und an zwei Zeitschriften geschickt, u. a. an Gasolin

23, bekanntlich das Undergroundmagazin schlechthin damals. Jürgen Ploog schrieb mir, dass der

Text „pubertär, aber gut“ sei und wurde dann tatsächlich in der letzten Ausgabe des Gasolin, die 1986

herauskam, veröffentlicht. Kurz darauf schrieb mir Daniel Dubbe, dass er mit Begeisterung meinen

Text gelesen habe und mehr davon bräuchte. Er plante mit Ploog eine Anthologie bei Pohl'n'Mayer.

Kurz darauf stieg ich bei der Duisburger Literaturzeitschrift „Produkt“ ein, fuhr von Punkkonzert zu

Punkkonzert, wo ich die Exemplare verkaufte und entwarf eine Müllperformance mit dem Titel „Wollt

Ihr den Totalen Müll“ für unsere Literatur-Musik-Live-Chaos-Performancetruppe „Flown“, bei der

ich auf Mülltonnen eindrosch und das Publikum mit Abfall bewarf. Mit gerade mal 22 schien ich also

auf dem Weg zu sein, mein Leben als Künstler bestreiten zu können, was aufgrund meiner sonstigen

Perspektivlosigkeit wie eine Erleuchtung erschien. Nur wenige Zeit später zerplatzten aber all die

schönen Pläne. Das „Produkt“ wurde eingestellt, die Anthologie erschien nie und meine Eltern stellten

mich vor die Wahl, entweder zum Friseur zu gehen, andere Klamotten anzuziehen und Arbeit zu suchen

oder auszuziehen, worauf ich dann nach Berlin verschwand und für über zwei Jahre das Schreiben

einstellte.“

experimenta_ Weshalb schreibt Deiner Auffassung nach Charles Bukowski Punk?

Roland Adelmann_ Für mich als 20jährigen war das tatsächlich der erste Eindruck, als

ich seine erste Kurzgeschichte „Kid Stardust im Schlachthof“ las.

Wie die meisten Punks wollte auch ich Musik machen, war aber nur

mittelmäßig talentiert. Und als ein Freund mir einen Band von Bukowski

lieh, dachte ich sofort: „Wow, du kannst auch Punk schreiben“. In „Kid

Stardust“ beschreibt er ja praktisch sein Leben, das geprägt war von

Ausgegrenztsein & Außenseitertum. Und wir waren auch Außenseiter,

wobei eher bewusst, wollten nichts mit dieser Gesellschaft, die auf

Konsum und Ausbeutung aufgebaut war, zu tun haben. Wir standen

wie Buk draußen, asozial im wahrsten Sinne des Wortes, feindlich der

Gesellschaft gegenüber. Und diese Position ermöglichte einen ganz

anderen Blick auf die Menschen, als mittendrin zu sein, als ein Teil der

Masse, die nicht kategorisch dagegensteht, im besten Fall reformieren

will, was unserer Überzeugung nach nicht möglich war. Heute weiß

ich, dass sich Gesellschaften zwar nur, aber immerhin, millimeterweise

verändern, wozu der Punk ein großes Stück beigetragen hat. Und

genau das hat Bukowski getan, seine Umgebung aus der Position der

Außenstehenden beobachtet, analysiert und seziert, der genauso

draußen vor der Tür stand und gegen den Irrsinn angekämpft hat wie wir.

experimenta_ Was bedeutet das für Dich, außerhalb der Gesellschaft zu sein?

Roland Adelmann_ Ich sehe dadurch die Dinge ganz anders. Mich beschleicht oft das Gefühl, dass

die Gesellschaft immer krampfhaft versucht, das zusammenzuhalten, was

gerade existiert, und wenn jemand, ein Wissenschaftler oder ein bestimmter

Experte, einmal knallhart die Wahrheit ausspricht, dass uns zum Beispiel der

ganze Mist um die Ohren fliegt, wenn wir unser Verhalten nicht grundlegend

ändern, dann suchen die Menschen krampfhaft nach Lösungen, wie sie das

verhindern können, ohne sich großartig einschränken zu müssen. Sie wollen

keine Veränderung, ab einem bestimmten Alter und ab einem bestimmten

Wohlstand. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du nur noch verlieren

kannst, und davor entwickeln sie eine Paranoia. Ich denke, deswegen fangen

gerade viele Ältere an „querzudenken“, weil sie eben Angst haben, das zu

verlieren, was sie sich so vermeintlich hart erarbeitet haben. Mich hat das nie

wirklich interessiert, hab auch praktisch ne Zeitlang auf der Straße gelebt, in

Abbruchhäusern mit wilden Ratten, war in der Berliner Hausbesetzerszene

aktiv, wo wir nicht einmal ne funktionierende Toilette hatten, weswegen ich

immer die universitären Örtlichkeiten aufsuchen musste und das vermittelte

erst recht einen ganz anderen Eindruck. Die meisten von ihnen verloren ihre

innere Kontrolle. Sie zeigten nicht gerade ihr wahres Gesicht. Aber es wurde

genau das sichtbar, was sie zu verstecken suchten, was niemand sehen

sollte. In diesen Situationen kommt eben der Hass, die Wut, die sie in ihrer

gewohnten Umgebung erfolgreich unterdrücken können, zum Vorschein,

und gerade gegenüber Außenstehenden denken sie, könnten sie die Gefühle,

Gedanken ausleben, die unterschwellig jahrelang vor sich hin gärten. In

privater Runde, in angenehmer Atmosphäre reden sie natürlich ganz anders.

Da geben sie sich eloquent, aufgeschlossen, gesprächsbereit; aber dann, wenn

sie sich unbeobachtet fühlen, leben sie ihr anderes Ich aus. Ja, sie zeigen

manchmal, was sie wirklich denken, häufig auch in der Masse, wenn sie sich

fälschlicherweise anonym fühlen, oder, was ja ein Phänomen unseres digitalen

Zeitalters ist, im Netz, wo sie glauben, nach Lust und Laune rumpöbeln zu

können, was früher nur in den Stammkneipen möglich war, in verschwiegener

Herrenrunde, ohne lästige Zuhörer. Aber viele dieser Stammkneipen sind ja

mittlerweile dicht gemacht worden, aus denen wir früher, nebenbei bemerkt, im

besten Fall rausgebeten wurden.

… wo wir nicht einmal ne funktionierende Toilette hatten …

experimenta_ Wirkt sich Deine Kindheit auf Deinen Schreibprozess aus?

Roland Adelmann_ Da mir bei meiner Geburt das gesamte Blut ausgetauscht werden musste,

um zu überleben, war ich ein Spätzünder, hinkte der Pubertät gute zwei

Jahre hinterher, zumal meine Klassenkameraden auch noch alle älter

20 04/2023 www.experimenta.de 21


Interview

Interview

waren. Ich kriegte nie wirklich Anschluss zu denen, las Unmengen

Bücher, und wenn ich sie an der Eisdiele in unserem Dorf traf, wo sie sich

mit ihren Mofas und Mokicks über Motorräder und Autos unterhielten,

blieb ich maximal eine halbe Stunde bei ihnen, bevor ich dann wieder

nach Hause ging und weiterlas. Ich konnte mit ihrer Welt nichts

anfangen, und als sich mein Bewusstsein verselbstständigte, war ich

nur noch von dem Gedanken beseelt, aus dieser Enge auszubrechen.

Ich bin deshalb gerne an den Bahnhof gegangen und hab den Zügen

dabei zugeschaut, wie sie in der Ferne verschwanden, haha. Hört sich

jetzt albern an, aber das hat mir immer klargemacht, dass es da draußen

noch eine andere Welt gab. Und als ich für mich den Punk entdeckte,

wusste ich, dass es da draußen auch andere gab, die ähnlich oder

genauso dachten wie ich. Als Punkfreak, der ich dann mit 16, 17 war,

kriegte ich dann auch immer Kommentare zu hören wie „Bisse schwul

oder Kommunist“ oder der Klassiker „Unterm Führer wärst Du längst weg

gewesen“. Und das sogar von Gleichaltrigen. Ich will nicht damit sagen,

dass sie alle Nazis waren oder Faschisten, aber das zeigt, in welchen

Bahnen sie dachten. Sie konnten Anfang der 1980er überhaupt nicht mit

Andersdenkenden umgehen. Für sie war ich von einem anderen Stern.

Sie verstanden nicht, wie man den vorgeschriebenen Weg von Arbeit und

Wohlstand nicht beschreiten konnte. Für sie gab es nichts Schöneres

als eine neue Wohnzimmereinrichtung, ein neues Auto oder einen tollen

Urlaub, der schließlich mit harter Arbeit bezahlt werden musste. Insoweit

hat mich meine Kindheit sehr stark geprägt. Nebenbei bemerkt waren

meinen Eltern, was meine Entwicklung betrifft, eher Randfiguren. Sie

wollten zwar auch, speziell nachdem ich meinen Zivildienst abgeleistet

hatte, dass ich endlich „normal“ werde und entweder mich anpasste

oder eben ausziehen musste. Aber insgesamt haben sie mir in meiner

Entwicklung nicht im Weg gestanden. Ich musste halt irgendwann

meinen Weg gehen und dafür brauchte ich einen Arschtritt, sprich,

musste ich endgültig in die weite Welt ziehen.

experimenta_ Wie zeigt sich Dein Schreibstil in Deiner Literatur?

Roland Adelmann_ Wohl genauso sprunghaft wie mein Leben. In den 80ern habe ich sehr

verkopft und abgedreht geschrieben. Ich war

halt ein Produkt meiner Lebensumstände,

liebte damals The Cure, die Einstürzenden

Neubauten etc., was sich auch auf meinen

Schreibstil ausgewirkt hat. Und dann waren

da noch die No-Future-Mentalität und der

Gedanke, dass jederzeit ein atomarer Krieg

ausbrechen könnte. Wir waren überzeugt,

× SB Festival Pfefferberg 1994

(im Vordergrund Jürgen Ploog)

dass wir nicht sehr alt werden würden. Worüber sonst sollte ich auch

schreiben? Viel erlebt hatte ich bis dato nicht. Darunter war schon

krasses Zeug. Ein Radikalpamphlet, wie ich es mal nennen möchte, wollte

ich schon in der letzten MAULHURE veröffentlichen, aber das wurde

dann doch zu viel. Der Stil änderte sich in der 90ern radikal. Da wurde

ich wirklich konkret. Ich hatte in den vorangegangenen Jahren so viel

erlebt, dass ich diese Geschichten nur runterschreiben musste. Und sie

funktionierten. Eindeutig geprägt durch die amerikanische Prosa, sprich,

schnelle, kurze, prägnante Sätze und natürlich durchtränkt von Dialogen.

Das Publikum liebte das Zeug und war immer einer der Höhepunkte auf

den Social Beat-Sessions. So war ich in diesem Jahrzehnt permanent

damit beschäftigt, neuen Stoff für die vielen Lesungen, zu denen ich

eingeladen wurde, zu liefern. Bis die ganze Chose in sich zusammenfiel

und durch den Poetry Slam abgelöst wurde. Absolut nicht meine Welt, und

von da ab schrieb ich nicht mehr viel. Das eine oder andere Gedicht, mal

konkreter, mal experimenteller. Anfang der 2000er habe ich mich wieder

verstärkt der Punkszene angenähert und da sozusagen einer zweite

Welle unter jungen Punks, die Anfang 20 waren, und Bock hatten, wieder

Literatur-Fanzines herauszugeben, wo ich dann veröffentlicht habe. Im

Laufe der Jahre wurde der Stil wieder abgedrehter, experimenteller und

gipfelte in dem Höhepunkt „Rodneys Slam“, das dann bei der mittlerweile

eingestellten Edition PaperOne herauskam. Danach hatte ich den

Eindruck, dass ich mich im Kreis drehte und widmete mich der Prosa,

speziell meinem Debütroman, der in den 90ern veröffentlicht werden

sollte, was aber dann an fehlenden finanziellen Mitteln scheiterte. Nach

erfolgreichem Abschluss und Veröffentlichung des Romans versank ich

in Kurz-Lyrik, schnelle, verdichtete Dinger, die im Gehirn explodieren,

haha. Einmal hatte ich in einer Woche fast 50 Stück davon geschrieben,

ständig kam mir was in den Kopp, anschließend publizierte ich sie in

selbstgemachten Chapbooks. Und nachdem ich mich wieder mit Rolf

Dieter Brinkmann auseinandergesetzt hatte, ging der Stil in die völlig

entgegengesetzte Richtung, nämlich zu, zum Teil ultralangen Gedichten.

Höhepunkt auf den Social Beat-Sessions

experimenta_ Welche Themen behandelst Du in Deinen Texten?

Roland Adelmann_ Vor allem gesellschaftskritische und politische, weswegen ich gerade die

Brinkmannsche Art zu schreiben dafür als ideal empfinde und was ich

gerne als Cutpoeme bezeichne. Hierbei kombiniere ich praktisch alles,

was ich zuvor verwendet habe: Konkrete Prosa, vertrackte Allegorien

und aktuelle politische und gesellschaftliche Begebenheiten, die dir

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Interview

Interview

mittlerweile förmlich um die Ohren gehauen werden. Die Nachrichtenflut

ist so gigantisch, dass nur über einen Bruchteil davon in den einschlägigen

Nachrichtensendungen berichtet werden kann, und gerade die Feinheiten,

die scheinbar kleinen Dinge, hinter denen aber viel sozialer Sprengstoff

steckt, gehen bei den vielen Headlines völlig unter, die ich dann ans

Tageslicht befördere. Nach No Future und Waldsterben sind wir jetzt an

einem Punkt, wo es wirklich ums Ganze geht, und an dem ich mir die Frage

stelle, packt es die Menschheit oder eben nicht. So betrachtet ging es uns

in den 80ern gut, im Grunde richtig gut. Ich behaupte sogar, das beste

Jahrzehnt in der Menschheitsgeschichte, haha, aber wirklich, das war ne

geile Zeit, nicht immer einfach, aber bestimmt von unglaublich kreativen

Ausbrüchen, und der zelebrierte Untergang mehr theoretischer Natur, aber

jetzt sieht die Lage tatsächlich anders aus, am Übergang von der analogen

zur digitalen Welt. Kriegen wir das hin oder nicht? Die Möglichkeiten sind

vorhanden und werden immer weiterentwickelt, aber entscheidend ist,

ob wir das als Kollektiv, als globale Menschheit gemeinsam hinbekommen,

die Krisen, die wirklich das Zeug haben, uns in den Abgrund zu reißen, zu

meistern.

experimenta_ Du hast einen ungewöhnlichen Schreibstil. Wie hast Du diese Technik

entwickelt?

Roland Adelmann_ Ich will es mal Fügung nennen. Wie schon gesagt, eine Quintessenz aus

verschiedenen Stilen, wobei ich zu den konkreten und experimentellen

Teilen geschnittene Nachrichten hinzufüge, die ich auf das Wesentlichste

reduziere oder einfach nur in den Kontext einarbeite, ohne auf den

eigentlichen Text zurückzugreifen. Der reale Irrsinn ist um ein Vielfaches

unglaublicher als die Phantasie, aber wir blenden sie gerne aus, weil er

eben real ist. Wenn ich lese, dass zehntausende russische Häftlinge als

Kanonenfutter verheizt werden, klingt das völlig absurd. Kaum vorstellbar.

Man mag sich das auch nicht vorstellen. Lieber schauen wir uns da

irgendein Wikingergemetzel an. Obwohl es auch nah an der Wirklichkeit ist,

aber scheinbar nichts mit unserer Wirklichkeit zu tun hat. Manches schreibe

ich auch aus Büchern heraus oder aus Dokumentationen. In den 90ern

habe ich das mal mit der Sendung „Der Preis ist heiß“ gemacht, habe 5 oder

6 Sendungen aufgenommen und die beklopptesten Dialoge wortwörtlich

in eine Story eingebaut. Damals ein absoluter Publikumslacher, weil die

Dialoge und die damit verbundenen Handlungen völlig absurd waren.

Aber das ist es ja oft: Wenn man etwas aus dem Kontext herausschneidet,

ergibt sich ein völlig anderer Blick darauf. Walter Jens meinte mal, wenn

man Hitler reden hört, ohne ihn dabei anzusehen, wie er es getan hat, tritt

der Irrsinn in seinen Reden darin viel deutlicher zu Tage. Und manchmal

reicht eine Aussage, aus dem Kontext herausgelöst, aus, um die Absurdität

menschlichen Verhaltens zu offenbaren.

experimenta_ Was ist eigentlich Underground?

Roland Adelmann_ In den 80ern hätte ich gesagt: Fäkalsprache. Von den Dead Kennedys

gab es einen Song mit dem herrlichen Titel „Too Druck to Fuck“. Das Fuck

durfte natürlich auf dem Cover nicht ausgeschrieben werden und wurde

entsprechend gepunktet. Ich hab damals jedes Fuck, jedes Scheiße,

jedes Arschloch förmlich aufgesogen. Das ging damals gar nicht. Es war

herrlich einfach, die Gesellschaft zu provozieren. Ich lief zum Beispiel oft

mit Schlafanzugsklamotten unter meiner Lederjacke durch die Straßen,

löchrig, was schon schlimm genug war, die Hose hatte aber auch Löcher

am Arsch, wodurch die Unterbuxe zum Vorschein kam. Das war echt ein

Spaß. Entsprechend wollten mich einige eben wieder ins KZ schicken.

Oder zumindest in den Gulag. Aber das war Underground in seiner

reinsten Form. Heute gehören solche Wörter zum guten Ton. Ohne das

kommt mittlerweile kaum ein prämierter Dichter, prämierte Dichterin

aus, weswegen ich sie möglichst vermeide, wenn es nicht wirklich passt.

Genau wie der Punk ist der Underground zumindest teilweise in der

Gesellschaft angekommen. Aber Punk wie auch Underground bedeuteten

genau das Gegenteil, sich eben bewusst von der Gesellschaft

abzugrenzen, ihr Leitmotiv zu ignorieren, hart zu arbeiten,

um sich dann etwas leisten zu können und dem Vaterland zu

dienen. In den 60ern und 70ern war auch die aufkommende

Erkenntnis prägend, dass Deutschland nach dem Krieg de

facto in eine postfaschistische Zeit eingetreten war, nicht wie

viele glaubten entnazifiziert, und die erst allmählich abgelöst

wurde. Vor allem aber nur deshalb, weil es für die Altnazis bzw.

die ältere Generation, die halt glaubte, nicht befreit worden zu

sein, sondern besiegt, aber nicht unbedingt überzeugte Nazis

waren, Zeit war abzutreten. Aber dieses Denken steckte in

den meisten Köpfen der Kriegsgenerationen. Bis in den 80ern

war die Trennung strikt: Entweder marschierst du mit oder du

solltest dich nach drüben verpissen. Dazwischen gab es nichts.

Für Freiräume mussten wir selbst sorgen, was wir schließlich

getan haben. In den 50ern/60ern sehr stark in der Kunst und

Architektur, wo alles Alte hinweggefegt werden sollte, für die

Literatur galt das besonders in den 60ern/70ern und in der Musik

in den 70ern und 80ern.

× Auf dem Weg zu Mario

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Interview

Interview

Ich hab damals jedes Fuck, jedes Scheiße, jedes Arschloch

förmlich aufgesogen

experimenta_ Du hattest in der Social Beat-Bewegung eine tragende Rolle. Wie ist Social

Beat entstanden und was ist mit der Bewegung heute?

Roland Adelmann_ Anfang der 90er hing ich wieder für ne Zeitlang bei meinen Eltern rum,

nach meiner großen B-Runde: Berlin, Barcelona, Bochum. Ich hatte kurz

zuvor eine Anzeige von einer gewissen Isabel Rox in einem Stadtmagazin

gelesen, die einen Underground-Verlag gründen wollte. Und weil ich in

der niederrheinischen Tristesse viel Langeweile hatte, schrieb ich sie

an. Wir trafen uns dann, weil ich wohl der einzige ernstzunehmende

Kandidat war, und schließlich gründete Isabel ihren Verlag. Als Erstes

entstand die Anthologie „Downtown Deutschland“, für die wir damals

alle uns bekannten Leute zusammentrommelten. Mittlerweile gilt

sie als Kultbuch und Initialzündung des Social Beat. Auf der Mainzer

Minipressen-Messe 1993 trafen wir dann auf viele andere Gleichgesinnte

wie Oliver Bopp, Jörg Dahlmeyer, Kersten Flenter, Ingo Lahr, Thorsten

Nesch, Thomas Nöske oder Mario Todisco, und abends trafen wir uns auf

Ollis Terrasse, wo ich meine Idee des Megazins vorstellte, sprich, die Idee,

ein gemeinsames Magazin herauszugeben. Wir wollten uns dafür in Berlin

treffen, und Dahlmeyer und Nöske entwickelten daraus ein Riesenfestival

mit dem Namen “Töte den Affen“, der auf ein Gedicht von Hadayatullah

Hübsch zurückgeht, und nannten das Ding eben Social Beat. Wir wurden

anschließend vom Erfolg überrannt, Hunderte kamen zu den Lesungen, es

standen mehr Menschen draußen als normalerweise zu Lesungen kamen.

Im Anschluss entstanden quer durch die Republik Social Beat-Zentralen

und organisierten Lesungen oder Festivals oder gaben Zeitschriften

heraus; die Bewegung nahm eine unheimliche Dynamik auf. Später

veranstalteten wir auch innerhalb der Festivals die ersten Slam Poetrys,

was zu unserem Fall werden sollte. Das Publikum nahm diese Art von

Wettstreit begeistert auf, und das Verhältnis änderte sich allmählich.

Kamen zu Slams immer noch Hunderte, drifteten die Zahlen bei Lesungen

in den zweistelligen Bereich ab, was nach heutigen Maßstäben immer

noch allerhand ist, aber für uns war klar, in welche Richtung es ging. Im

Laufe der zweiten Hälfte der 90er stellten zudem eine Zeitschrift nach

den anderen ihr Erscheinen ein, bis Anfang der 20er kaum noch eins der

Altmagazine existierte. Im Jahr 2000 lief die letzte Buchfrust in Hannover,

und die symbolisierte das faktische Ende im Nachhinein. Aber das war

es nicht. Losgelöst von den ständigen Terminen konzentrierte ich mich

danach das erste Mal ernsthaft auf meine Sprache. Die Storys waren

erzählt und jetzt zählte mehr der Stil als die effektvolle Pointe. Und das ist

auch bei vielen anderen zu beobachten. Bewusst oder unbewusst spielt

dabei keine Rolle. Ohne den Druck, ohne die ständige Leistungsshow,

die es ja dann doch irgendwie geworden war, entwickelten sich viele

weiter. Die Bukowskifraktion, die zweifellos bestanden hatte und der ich

natürlich auch zugerechnet wurde, verschwand fast völlig. Ich schreibe

auch noch gerne hin und wieder sehr konkret, wenn es das Sujet verlangt,

aber gerade die Cut-up-Methode erfreut sich heutzutage wieder großer

Beliebtheit. Und auch das Poetische, gegen das ja der Underground

eingetreten war, hat Eingang gefunden.

experimenta_ Ist Social Beat Underground?

Roland Adelmann_ Definitiv ja. Mit einem Touch social eben. Underground war ja nie explizit

politisch, auch wenn Leute wie Allen Ginsberg oder Diane di Prima

bewusst gesellschaftskritische Texte geschrieben haben. Vielmehr wurde

der Alltag skizziert, auseinandergenommen, um die eigene Sicht auf die

Dinge zu vermitteln. Oder sein eigenes Leben, seine eigenen Erfahrungen

zu beschreiben, um dem normativen Leben zu begegnen. Der Social

Beat verband jedoch unterschiedlichste Strömungen, was auch schnell

zu Verwerfungen führte, da einige Traditionalisten damit sehr wenig

anfangen konnten. Einiges driftete in Dada ab oder Wortexperimente, die

kaum jemand verstand, womit sich dann wie gesagt viele schwer taten,

weil sie genau das nicht wollten, nämlich dass das eigene Werk erklärt

werden muss, um verstanden zu werden, wie ein abstraktes Gemälde. Die

Message sollte schon unmissverständlich rüberkommen. Auch ich konnte

oft wenig damit anfangen, auch wenn ich verrückte, bekloppte Sachen

immer gerne mochte. Unsere Art zu schreiben wurde auch gern als

Pimmelprosa bezeichnet. In der zweiten Hälfte der 90er spaltete sich die

Bewegung entsprechend auf bzw. einige Protagonisten zogen sich zurück

in ihre Ecke.

Undergrounder wie Biby Wintjes finden nur als Randfiguren

Erwähnung

experimenta_ Du hast Biby Wintjes kennengelernt. Biby war in der alternativen

Literaturszene eine wichtige Person. Was für ein Mensch war Biby?

Roland Adelmann_ Auf jeden Fall ein sehr liebenswerter. Er war schon ein wenig altersweise,

als ich ihn traf, auch wenn er jung mit 48 Jahren gestorben ist. Er suchte

immer Kontakt, wollte die Szene zusammenhalten bzw. erweitern. Aber

mittlerweile hatten viele ihren eigenen Weg eingeschlagen, und Biby

wurde mehr und mehr zum Einzelkämpfer, der auf dem Weihnachtsmarkt

Silberschmuck verkaufen musste, um sein Literarisches Infozentrum

26 04/2023 www.experimenta.de 27


Interview

Interview

am Leben zu halten. Er war auch immer offen für Neues. Er erinnert

mich da ein wenig an John Peel, aber war auch gezwungen sich den

Begebenheiten zu stellen, die da hießen, keine inhaltlichen Diskussionen

mehr, sondern rein sachbezogene Informationen, die das eigene Ich

voranbringen sollten, und ein Ich-Mensch war Biby erst gar nicht, im

Gegenteil, ein lebenslustiger Kumpel, dem der eigene Erfolg schnuppe

war.

experimenta_ Wie kann man dazu beitragen, dass das Werk von Biby mehr Beachtung

findet?

Roland Adelmann_ Es ist schwierig, diese Zeiten ins Hier und Jetzt zu transportieren, aber

ich denke, es wäre hilfreich, wenn regelmäßig Artikel, Essays, Anekdoten

gerade aus seiner Ulcus Molle Zeit im Original veröffentlicht werden, um

aufzuzeigen, wie sich die Alternativszene und damit die heute so gerne

als „Independent“ bezeichnete Randliteratur entwickelt hat. Leider

besitze ich keine Ausgaben aus den 1970gern, aber in den einschlägigen

Archiven bzw. bei Sammlern finden sich bestimmt ausreichend

Exemplare, um diese Zeit wieder auferstehen zu lassen und ein neues Bild

von den Anfängen des deutschsprachigen Undergrounds zu entwerfen,

das so auch noch nie wirklich widergespiegelt wurde. Im Gegenteil, selbst

das mittlerweile als vermeintliches Standardwerk angesehene „Von

Acid nach Adlon“ vermittelt nur einen Einblick, und das oft nur aus einer

bestimmten Perspektive, in dem halt Leute wie Wiglaf Droste, Thomas

Meinecke, Franz Dobler oder Feridun Zaimoglu, die üblichen Verdächtigen

eben, allumfassend zu Wort kommen, aber echte Undergrounder wie Biby

Wintjes nur als Randfiguren erwähnt werden.

experimenta_ An welchem Projekt arbeitest Du im Augenblick?

Roland Adelmann_ Im Moment schreibe ich fleißig weiter an meinen Cut-Poemen. Die

Themen gehen einfach nie aus. Ich kann sie nicht einmal alle verarbeiten,

viele fallen leider unter den Tisch, aber vielleicht soll es auch so sein.

Nichts ist eben von Bestand. Bei Rodneys Underground Press haben

wir zurzeit aufgrund der unsicheren Situation unser Hauptaugenmerk

auf Chapbooks gelegt, die wir kostenmäßig

günstig produzieren können, um Literatur

entsprechend für jeden Geldbeutel anzubieten,

da gerade unsere Klientel wirklich die Kohle

zusammenspart, um dann mal was bei uns

× Schokoladen 1994 (im

Vordergrund Kiev Stingl)

zu bestellen. Am Herzen liegt uns gerade das neue Werk von Hermann

Borgerding, der jahrelang seinem Mundhöhlenkrebs erfolgreich die

Arschkarte gezeigt hat, aber dessen Auswirkungen ihn leider mittlerweile

schwer unter Druck setzen.

experimenta_ Welche Zukunftspläne hast Du?

Roland Adelmann_ Bei der Edition Maya erscheint im Herbst der Nachfolgeband von seinem

prämierten Vorgänger „Burger-Arrest“, und dann will ich endlich meine

Berliner Jahre in einem Roman verarbeiten, der dann im Herbst 2024

realisiert werden soll. Ich hab zwar immer wieder darüber in Stories

und Prosagedichten geschrieben, aber der Roman ist längst überfällig.

Ansonsten werden wir weiterhin Underground-Literatur bei RUP

veröffentlicht. Zwar nicht mehr so viel wie zuvor, aber so lange ich lebe,

werde ich wohl immer irgendetwas veröffentlichen, und wenn es nur

ein selbstkopiertes Fanzine ist. Das gehört wohl zu mir wie das Bier zu

Bukowski, wie Lütfiye Güzel zu mir meinte.

experimenta_ Vielen Dank für das Gespräch.

Roland Adelmann_ Ich danke auch und, wie es in der Punk-Szene so schön heißt: Support

your local scene, meint, kauft Bücher und unterstützt kleine Verlage.

× Roland Adelmann, geboren 1965 in Krefeld, lebt seit über 3 Jahrzehnten

im Ruhrpott. Erste Veröffentlichung im letzten „Gasolin 23“ (1986); schlug

Ende der 1980er auf Sessions der KünstlerInnengruppe „Flown“ im Rahmen

seiner Performance „Wollt ihr den Totalen Müll“ auf Mülltonnen ein und

beschmiss das Publikum mit Abfall. Mitherausgeber der richtungsweisenden

Underground-Anthologien „Downtown Deutschland“ (1992) und „Asphalt

Beat“ (1994); zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt: „Die Zukunft stirbt

zuerst“, Edition Outbird 2021, Roman / „Burger-Arrest“, RUP 2022, & „Das

war eine völlig normale Gegend hier“, Edition Maya 2023, Cut-Poems. Seit

1992 Betreiber des Vertriebs und Verlags „Rodneys-Underground-Press

(RUP)“ (www.undergroundpress.de).

× Rüdiger Heins ist freier Schriftsteller sowie Regisseur und Verleger. Er

produziert Beiträge für Hörfunk, Fernsehen und Theater. Er ist Dozent im

Creative Writing sowie Gründer und Studienleiter des INKAS – Institut

für Kreatives Schreiben in Bingen am Rhein und in der Niedermühle in

Odernheim.

Er ist Mitherausgeber der experimenta, des Magazins für Literatur, Kunst und

Gesellschaft. Auf der Landesgartenschau in Bingen schuf er einen Haiku-Garten.

Mit ehemaligen chinesischen Gefangenen, die von Organentnahme bedroht

waren, entstand das Buch- und Filmprojekt "Ausgeschlachtet". Sein Theaterstück

"Allahs Heilige Töchter" machte auf die Lebenssituation von Muslima, die

in Deutschland leben, aufmerksam. Das Stück musste unter Polizeischutz

aufgeführt werden.

Rüdiger Heins ist Mitglied beim PEN-Zentrum Deutschland. (Quelle: Wikipedia)

28 04/2023 www.experimenta.de 29


Neuerscheinung

Künstlerin des Monats

… einen Sinn für das Schöne vielleicht

„Stimmen im Ödland – Elegien“ heißt der neue Lyrikband des Binger

Autors Sören Heim. Der Band versammelt zwölf längere Gedichte

und 12 expressive schwarz-weiß Illustrationen, die thematisch zu den

Gedichten ausgewählt sind.

Mit dem Gedanken an diese Arbeit, verrät Heim, habe er sich schon seit gut zehn Jahren getragen.

„Eine Sammlung längerer Texte, thematisch lose aufeinander bezogen, die gewissermaßen die

besonderen Höhepunkte meiner Arbeit präsentieren sollen.“ Der älteste Text ist dann auch etwa

10 Jahre alt, viele weitere sind besonders in den vergangenen drei Jahren der Corona-Pandemie

entstanden.

Elegien, das klingt natürlich an die Elegien Goethes und Rilkes an, und die Verortung in dieser

Tradition, so Heim, sei durchaus gewollt. Gleichzeitig solle auch die Bedeutung „Klage“ stark gemacht

werden. Denn im weitesten Sinne handelt es sich bei den Texten um lyrische Klagen, persönlich wie

gesellschaftlich. Um unwiderbringlich Vergangenes, um einen Sinn für das Schöne vielleicht, aber auch

um – die Zukunft. „Ernstgemeinte Kunst“, sagt Heim, „will nicht nur für den Augenblick unterhalten.

Genauso, wie sie aus der Vergangenheit schöpft, zielt sie auf die Zukunft. Auf Menschen, die auch in

50, in 100 Jahren und mehr noch Zeit und Muße haben, zu lesen. Je fragwürdiger solch eine Zukunft

wird, desto fragwürdiger wird auch die Kunst.“ Und auch wenn er wenig davon halte, mit Kunst zu

belehren, so sei den Elegien dieses Bewusstsein doch eingeschrieben.

Jedem Gedicht ist eine Illustration beigestellt, die der Autor als „abstrakte Fotografien“ bezeichnet. „Es

handelt sich um bearbeitete Nahaufnahmen von Stücken einer Mauer. Dort haben Jahre des Wachsens

von Wein, des Herunterreißens dieser Ranken, des wieder Wachsens, des darüber Putzens und so

weiter, gewissermaßen sowohl „natürliche“ als auch „historische“ Artefakte menschlicher Arbeit

eingegraben. Was könnte passender sein neben Texten, die sich letztlich auch um nichts anderes

drehen als um dieses Verhältnis von Mensch, Gesellschaft und Natur?”, berichtet Heim.

Auf Ausstellungen ab Mai in der Binger Bücherei und im Herbst im Horrweiler Weindorf-Museum

werden diese Fotografien neben anderen Fotos des Autors zu sehen sein.

„Stimmen im Ödland – Elegien“ erscheint bei Edition Maya. Für Cover und

Layout zeichnet sich Jutta Nelißen verantwortlich. Das Buch ist regulär im

Handel erhältlich und kann auch direkt signiert beim Autor erworben werden:

[email protected]

Sören Heim: Stimmen im Ödland – Elegien

EDITION MAYA 2023, 12,- €

ISBN: 978-3-930758-77-7

× Ingeborg Matschke, 100 x 70 cm

30 04/2023 www.experimenta.de 31


WeltenGeschehen

Prosa

Henriette Tomasi

War es Nacht um Brot zu holen

„Als ich aufstand war es Nacht,

war es Nacht um Brot zu holen“

Ror Wolf

Mit Katja Richter durch das Jahr 2023

Die Künstlerin Katja Richter wird uns mit ihren Bildern durch das Jahr 2023 begleiten. Mit jeweils einem

Bild pro Monat spiegelt sie mit ihren Werken den Zeitgeist. „Kinder der Hoffnung", lautet der Titel des

Bildes, das Katja Richter für den Februar gemalt hat.

Abgelegen das alte, hölzerne Waldhaus, gakelige vom Sommer

trockene Fichten und Birken weben Schatten in den

Wald. Letztes Licht kitzelt Moose, Farne, malt lange

Streifen in die Dunkelheit des dumpfen Waldbodens. Noch von

der Mittagshitze liegt Nadelduft in der Luft. Ein Pfad führt

auf die Veranda zu. Vögel singen ungestört - frei.

Unwirklich, das verlassene Haus. Morbides umwittertes Holz,

leicht wiegt sich der alte, hölzerne Schaukelstuhl auf der

Veranda. Einziger Gast, der Wind. Ich wage nicht, mich zu

bewegen – so still, verwunschen. Gefangener der Kulisse, in

der ich zögernd stehe. Ich klopfe an die Tür. Sie schwingt

auf. Ein verlassener Raum. Schlichte, einfache Möbel,

liebevoll ausgewähltes Geschirr, ein paar Töpfe, die Bäume

zu greifen fast durchs Fenster. Blau schimmert der Wald,

schwarz die Stämme. In der Ecke liegt Holz. Zündhölzer krame

ich aus meinem Rucksack. Ich entzünde ein Feuer im Kamin.

Geräusche des Waldes dringen durch die offene Tür. Auf einer

Pritsche sitzend, vergesse ich die Zeit – versinke in

leichten Schlaf. Im Traum durch die großen Fenster wandernd,

berühre ich Moose, Farne, auch die schwarzen Nachtblüten,

die sich an Stämmen emporziehen. Immer weiter gehe ich in

den Wald. Ich verirre mich in den Farben der Nacht. Ob ich

zurückfinde?

„Als ich aufstand war es Nacht, war es Nacht um Brot zu

holen“

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Künstlerin des Monats

Lyrik

Barbara Lehmann

Lyrik

Mein Weg ist an seinen Schläfen grau.

Ein fließender Übergang weißer Dolden,

in die Wiesen der kommenden Stunden,

in die Felder abgetrennter Tage.

Gedroschene Ähren sonniger Monate,

Spreu im Wind,

die den Geruch von bangen Jahren trägt.

Wie weit mein Herz wird,

wenn die Gitter fehlen -

so viel gebundene Sprache.

Alle Zaunmatten hinauf,

den Steg hinaus,

spring ich mit dem Mut,

den ein Wort ausmacht ab

in ein trockenes Silberrauschen.

× Barbara Lehmann, geb. 1968 in Karlsruhe, lebt in Darmstadt. Sie ist Journal-Coach, Transformationsbegleiterin

und Trainerin. Schreiben ist für sie ein Raum des Verbindens und des Mutes. Im November 2022 startet die nächste

Schreibwerkstatt, siehe www.barbaralehmann.de

× Ingeborg Matschke, 90 x 70 cm

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Ausschreibung

Erde Mutter Erde

Ausschreibung

Maya-Lyrikkalender 2024

Der Maya-Verlag (Bingen am Rhein) beabsichtigt, ein anspruchsvolles

In der mit der experimenta vernetzten Facebook-Gruppe x:poem versammeln

sich rund 500 Lyrikerinnen und Lyriker zum poetischen Austausch. Das aktuelle

Schreibprojekt lautet „Erde Mutter Erde“ und wird intensiv angenommen. Rüdiger

Heins konkretisiert das Thema: „Mit Lyrik- und Prosatexten versuchen wir unserem

verletzten Planeten Heilung zu bringen. In der Tradition der Schamanen begeben wir

uns auf eine Reise zum Mittelpunkt der Erde.“ Hier lesen Sie ausgewählte Beiträge:

Lyrik-Kalenderjahrbuch 2024 herauszubringen, mit klassischen Gedichten der deutschen Literatur

aus vergangenen Jahrhunderten, aber auch zeitgenössischen Gedichten - für jeden Tag des Jahres

soll ein Gedicht stehen.

Das Gedicht kann gereimt oder ganz frei sein, ernst oder spielerisch daherkommen, jedem sofort

zugänglich sein oder zum längeren Nachdenken führen. Alles ist möglich, aber es muss ein gutes

Gedicht sein, das etwas bewirken können soll: eine Stimmung schaffen, aufheitern,

schmunzeln, Trost, waches Bewusstsein, zum Beispiel.

Erbeten werden von jeder Autorin, jedem Autor bis zu drei bisher noch unveröffentlichte Gedichte,

der Umfang jedes Gedichtes darf maximal 800 Zeichen incl. Leerzeichen sein, sowie eine Kurzvita

(mit Geburtsjahr!) und die Kontaktdaten:

Name, Vorname, Postadresse, Telefonnummer, E-Mail.

Erde Mutter Erde, Robert K. Staege, 23.03.2023

man nennt sie

unsere meine

mutter und wir

trampeln darauf

herum und springen

in die luft und spielen

mit dem feuer bis

uns die wasser

ertränken

Einsendezeitraum: 29. Februar 2023 - 30. April 2023.

Erde Mutter Erde, Elena Abendroth, 24.03.2023

Mit der Einsendung eines Manuskripts erkennt die Autorin/der Autor zugleich die Teilnahmebedingung

an: Sie haben den Text selbst verfasst (bitte nur Kopien, keine Originale schicken, da Rücksendungen

nicht möglich sind!) und sind bereit, ihn für den Maya-Lyrikkalender 2024 unentgeltlich zur Verfügung

zu stellen.

Sollten Sie mit einem Gedicht Aufnahme in den Kalender finden, werden Sie darüber vom Verlag

automatisch zeitnah informiert.

Ihr Manuskript senden Sie bitte -in zweifacher Ausführung- nur auf dem

Postweg an folgende Adresse:

Carlos Castanedas Pilze

Schizophrenie

die junge schöne Frau

die alte Heilerin Altai

aus dem weißen Land

erschrickt die Seele

sprechen singen schreien

Kette mit Totenköpfen

angsterfüllt

flüchtet die Krankheit

Erich Pfefferlen

Maya-Lyrikkalender 2024

Sensenweg 1

86497 Horgau

hinschauen oder abwenden

Gaia Tara Kama Mama

und Erinnyen du fliehst

zum anderen Teil der Erde

laut hektisch überfüllt von

Informationen Apokalypse

Nornen wissen und weben

unter der Weltenesche

überall

alles verbunden mit allem

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Erde Mutter Erde

Essay

Erde Mutter Erde, Uschi Hammes, 26.03.2023

Der Mensch

plötzlich ist er klein

krabbelt zwischen Wurzeln

Ameisen gleich

Staaten bildend

beweint seinen Irrtum von Unsterblichkeit

verliert den Halt in der selbst erschafften Monotonie

und fürchten sich vor den einstürzenden Türmen.

Lange hat Mutter Erde ihm seine Taten verziehen

nun stillt niemand mehr seinen Hunger.

Erde Mutter Erde, Rüdiger Heins, 27.03.2023

Apokalypse

in den Nachrichten der Welt

und Laub fällt vom Baum

Erde Mutter Erde, uraltes Heil- und Schutzgebet (der Bär gilt als Hüter von Mutter Erde), recherchiert von

Ilona Schiefer, 26.03.2023

Großer Bär und Mutter Erde

die Kraft des Wassers reinigt mich

die Kraft des Windes führet mich

die Kraft des Feuers wärmet mich

die Kraft der Erde nähret mich

die Kraft der Liebe schützet mich

Großer Bär und Mutter Erde

Sören Heim

Rüdiger Heins in den PEN-Deutschland berufen

Seit Oktober 2022 ist der Binger Schriftsteller und

experimenta-Mitherausgeber Rüdiger Heins Mitglied des

Schriftstellerverbands PEN. Zwei Autoren, die bereits Mitglied

im PEN sind, schlagen Neumitglieder vor. Dann stimmt der

Verband ab. Theoretisch könnte dann das vorgeschlagene

Neumitglied die Mitgliedschaft noch ablehnen. „Aber

eine Berufung in den PEN lehnt man natürlich nicht ab“,

sagt Heins. Der Autor sieht in der Berufung nicht nur eine

Wertschätzung seines schriftstellerischen Profils, sondern

auch seines gesellschaftlichen Engagements. „Das ist mit

dem Schreiben für mich unmittelbar verbunden“. Auch zum Aufgabenbereich des PEN gehört der

Einsatz für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie, der Heins stets am Herzen liegt, fest. Der

Verein engagiert sich für freie Meinungsäußerung und setzt sich für verfolgte Schriftstellerinnen und

Schriftsteller ein.

Dazu passt Heins Werk perfekt. Dessen erste Publikationen setzten sich mit Wohnungslosigkeit

auseinander. Heins hat selbst längere Zeit im Binger Wohnungslosenheim der Caritas gearbeitet, und

brachte dem Publikum sowohl in fiktionalen, als auch in journalistischen Texten die Schicksale von

Menschen nahe, die auf der Straße leben. Beispielsweise im Sachbuch „Zu Hause auf der Straße", oder

im frühen Roman „Verbannt auf den Asphalt“.

× Rüdiger Heins am Rhein-Nahe-Eck in Bingen

Foto: Gabriela Glaser

Auch in späteren Texten beschäftigte Heins sich immer wieder mit Menschen, die durch das

gesellschaftliche Raster fallen. Unter anderem im „Fee: Ich bin ein Straßenkind“. Des Weiteren führte

er in den Vergangenen Jahren unter anderem eine Reihe von Interviews mit chinesischen Dissidenten

und machte so auf das Leben unter dem Repressionsapparat der chinesischen Regierung aufmerksam.

Und auch literarisch blieb Heins produktiv. Er gestaltete und veröffentlichte das Hörspiel „Flucht ins

Nichts“, wandte sich mit dem Gedichtband „NebelHornGesänge“ wieder der Lyrik zu und publizierte

zahlreiche Texte anderer Autorinnen und Autoren

in seinem Binger Verlag Edition Maya. So etwa

die Anthologie „Das Coronatagebuch“, die zuerst

in Zusammenarbeit zahlreicher Autoren online

entstand, ehe sie in Buchform veröffentlicht

wurde.

× Ingeborg Matschke, 25 x 25 cm

× Im Interview mit der chinesichen Exildichterin Xu Pei

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Erde Mutter Erde

Drama

× Rüdiger Heins am Rhein-Nahe-Eck in Bingen

Foto Gabriela Glaser

Rüdiger Heins neuester Roman heißt „Fensterglotzer“.

Den Text stellte der Autor auch auf der Frankfurter

Buchmesse vor. „Darin beschreibt ein Schriftsteller, der

in einer kleinen Stadt am Rhein lebt, sozusagen vom

Fenster aus die Welt und sein Leben“, berichtet Heins.

Derzeit arbeitet er übrigens schon wieder an einem

neuen Roman. Unter dem Titel „Kukuckskinder – Ost/

West“ entsteht im Briefwechsel mit Autorin Ingrid

Weißbach ein gemeinsames Werk.

Gerwin Haybäck

Harlekins Zeitgalerie

Harlekins Werke posieren tagaus, tagein,

bestaunt von vielen hüben wie drüben.

Diese zeitvergessenen Wesen wetteifern

ringend um Macht als Herr, als Knecht.

Sind wir Harlekins Artefakte?

Die Zeit, in der Heins in den PEN berufen wird, ist eine turbulente. Der Verband hatte sich nach dem

Rücktritt von Deniz Yücel als Vorsitzender Anfang Juni gespalten, eine Berliner Sektion namens PEN

Berlin wurde gegründet. „Ich wünsche auch diesem neuen Verband alles Gute“, sagt Heins. „Ich bin

aber froh, nun Mitglied im klassischen PEN zu werden.“

Bilderstreit, wer, wo, in welchem Licht?

Zeitgeist im Passepartout nicht ganz

in Weiß. Auserwählter grinst am Entrée

durch der Muse schillerndes Glas,

Menschenbild farbversessen.

Porträtaugen stechen in sein Gesicht,

stotternder Stapler sieht überall Licht,

wollte nur schlichten der Bilder Streit.

Ah, Ha-Harlekin! Ist das Ku-Kunst

oder ka-kann das weg?

× Wer ist der Maler als Galerist?

Illustration: Reinhold Brandstätter

Wir die Sphäre, die Harlekin lenkt,

Schöpfer getreuer Gabe Kraft, lassen

ihn unser Leben malen, von Anfang an

über launigen Ich-Lauf endlich ins

Schlusslicht der Lebenskunst Sinn.

Bilder träumt Harlekin außerhalb

wegsamer Zeit, rahmenlos, krumm

unbestreitbar im Nichts, ohne Ecken

und Kanten, frei von Sein und Zeit,

wie er ist, der Maler als Galerist.

× Gerwin Haybäck, geb. 1957 in Salzburg, Frühaufsteher im Zwischenzeitraum, fühlt sich im bebilderten

zeitphilosophischen Sprachexperiment zu Hause, seit 2006 Kooperation mit:

× Ingeborg Matschke, 122 x 87 cm

Reinhold Brandstätter, geb. 1959 in Salzburg, Ausstellungen zuletzt 2019: Kunstgalerie Fabrik BBK600, Salzburg:

„Urknalltinnitus“; 2021: Institut für dehnbare Begriffe, Ried im Innkreis/Ö: „Angschaut!“

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Künstlerin des Monats

Interview

Werner Friedl

experimenta im Gespräch mit Ingeborg Matschke,

der Künstlerin des Monats

experimenta_ Ingeborg, ich weiß, dass Kunst in Deinem Leben immer schon eine große

Rolle gespielt hat. Weißt Du noch, was Deine erste Begegnung mit Kunst

war?

Ingeborg Matschke_ Nun, ein Ereignis im Alter von 17 Jahren hat mich auf die Spur gesetzt,

der ich heute noch folge. Ich besuchte mit einer Freundin in Karlsruhe

eine Galerie für ostasiatische Kunst, das war Anfang der Siebzigerjahre.

Da hat bei einer Abendveranstaltung ein Zen-Mönch vor dem Publikum

„Zen-Malerei“ ausgeführt. Etwa eine Stunde lang geschah gar nichts, er

saß nur vor dem leeren Blatt und das Publikum hat ihn dabei beobachtet.

Dann nahm er auf einmal den Pinsel, und ganz schnell, so schnell, dass

man es gar nicht nachvollziehen konnte, war eine Zeichnung auf dem

Blatt. Ich fand das rätselhaft, geheimnisvoll, es war eigentlich gar nicht

zu verstehen, was da passiert ist. Und schon gar nicht hätte ich gedacht,

dass ich eines fernen Tages einmal selber in dieser Art malen würde. Es

sind dann ja auch noch 35 Jahre vergangen, bis ich damit angefangen

habe.

Ein zweites Ereignis war etwa 2006. Ich habe mit Kindern hier aus dem

Dorf gearbeitet, und ihnen zur Aufgabe gegeben, sie sollten „Donner“

malen. Und bei den Ergebnissen war ein Bild dabei, bei dem ich mir gesagt

habe: von diesem Bild kann man lernen, wie man malen soll! Das war ein

erneuter Anstoß für die Art zu malen, wie ich sie heute praktiziere.

experimenta_ Und wann hast Du dann wirklich angefangen?

Ingeborg Matschke_ Zwei, drei Jahre später. Da hatte ich im Museum für asiatische Kunst

eine Begegnung mit einer riesigen Kalligrafie des Japaners Inoue Yuichi.

Die dominierte den größten Saal und zeigte „nur“ eine schwarze Figur

auf weißem Papier. Das ist ein Traum von mir, einmal etwas so Großes

machen zu dürfen.

experimenta_ Welche Rolle spielt die Kunst grundsätzlich in Deinem Leben?

Ingeborg Matschke_ Ich interessierte mich schon als junges Mädchen für Kunst, ich glaube, da

war ich damals eine große Ausnahme. Ich habe mir dann auf eigene Faust

Wissen über Kunst angeeignet und mit 17 einen Künstler kennengelernt,

den ich später geheiratet habe. Ich habe seine künstlerischen Interessen

× Ingeborg Matschke, 65 x 51 cm

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Interview

Interview

geteilt und mit ihm Schüler in künstlerischen Techniken unterrichtet, und

später bin ich dann selber aktiv geworden, habe Keramiken gemacht.

experimenta_ Wie kam dieses unübersehbare „Asiatische“ in Deine Kunst?

Ingeborg Matschke_ Ich habe mich damals (und bis heute) für fernöstliche Malerei und Kultur

interessiert, Taoismus, Yin und Yang usw. und bin dabei auf das I Ging

gestoßen. Da fing ich an, meine eigenen Gedanken dazu in Keramiken

auszudrücken. Das war Mitte der Achtzigerjahre, bis 1990, da kam dann

meine Babypause.

Ingeborg Matschke

Flüchtigkeit des Seins

experimenta_ Kannst Du etwas zum künstlerischen Prozess sagen? Wie entstehen

Deine Bilder?

Ingeborg Matschke_ Mein Ausgangspunkt ist wie bei diesem Mönch eine Art Gedankenleere,

ein meditativer Moment. Ich habe vorher keine Bildidee – und wenn ich

mal doch eine hatte, ist das meist nichts geworden. Höchstens, dass

ich eine Vorstellung einer Bewegung habe: Ich arbeite mit Bürsten, die

ich vorher mit Tusche einstreiche, führe damit eine Bewegung auf dem

Papier aus, und aus dem Bewegungsablauf ergibt sich das Bild. Das Ganze

geschieht meist in weniger als einer Minute.

experimenta_ Also ist das Ergebnis auch für Dich eine Überraschung?

Ingeborg Matschke_ Und ob! Denn Bürste und Tusche verhalten sich ja immer wieder anders.

Auch verwende ich verschiedene Bürsten und unterschiedliche Papiere,

mehr oder weniger saugend. Das fertige Bild lege ich dann auf den

Boden, betrachte es, gehe herum, schaue es mir von allen Seiten an. Das

wirkt jeweils anders, was daher kommt, dass wir ein Oben und Unten

haben, das sind ganz unterschiedliche Qualitäten. Das ist eine spannende

Phase, die ich sehr mag. Ich vergleiche die verschiedenen Ansichten: wie

wirkt das Bild am besten, wann hat die Bewegung ihre stärkste Dynamik?

Ist es um 180 Grad gedreht vielleicht besser? Meist bleibt es aber so, wie

es zu Anfang war. Manchmal entscheide ich das auch erst am nächsten

Tag. Dann kommt die Farbe dazu, je nach der Saugfähigkeit des Papiers

mit Aquarell oder Buntstift. Die Kolorierung bestimmter Strich-Stränge

soll eine Ordnung in das Bild bringen.

× Ingeborg Matschke, 80 x 60 cm

Näher-Herangehen sehe ich auch Details, Wolken, Berge oder Bäche

oder noch anderes.

experimenta_ Ich selber bemühe mich, bei abstrakten Bildern bewusst nichts

Gegenständliches darin zu sehen. Wäre das nicht auch ein Weg zur

Erfassung? Nur Flächen, Linien, Farben?

Ingeborg Matschke_ Wenn du nichts sehen willst, dann sieh eben nichts. Ich habe andere

Erfahrungen gemacht, nämlich, dass die Menschen etwas sehen

wollen. Die Betrachter wollen und sollen ihre eigenen Erfahrungen mit

einbringen.

Ich habe dieses Betrachten schon in der Kinderzeit praktiziert, da

hatten wir in Bad und Küche Kacheln mit Schlierenmuster, in die habe ich

Landschaften hineingesehen. Jetzt ist es so, dass ich in meinen Bildern

beim Betrachten auch plötzlich etwas sehe, und zwar auf zweifache

Weise: einmal, aus etwas größerem Abstand eine große Form, zum

Beispiel diesen „Tiger“ in dem einen hier gezeigten Bild, und dann beim

experimenta_ Tusche benützt man ja auch für Kalligrafien und eben war von einem

Kalligrafen die Rede. Siehst Du da einen Bezug zu Deinen Bildern?

Ingeborg Matschke_ Absolut. Nicht nur äußere Ähnlichkeiten, wie die schwarze Figur auf

weißem Grund sind da gegeben. Nein, auch das Schreiben geschieht

ja schnell, und daher drückt sich dabei der persönliche Impuls aus.

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Interview

Künstlerin des Monats

Ich glaube, man sieht meinen Bildern auch immer die Stimmung im

Augenblick des Malens an.

experimenta_ Du hast auch einige Ausstellungen gemacht, wo und wann waren diese?

Ingeborg Matschke_ Mit meinen Keramikarbeiten hatte ich ein paar Ausstellungen in den

Achtzigerjahren. Seit 1997 lebe ich in Italien, in Piemont, dort hatte

ich 2011 eine Ausstellung mit meinen Bildern in Mango (bei Alba), im

selben Jahr aber auch eine in der Galerie Mühlenkeller in Ettlingen.

Und dann 2019 eine Ausstellung im Schloss von Govone, zwischen Asti

und Alba. Im Anschluss daran hatte ich den örtlichen Kindergarten

zu mir eingeladen und den Kindern die Bilder gezeigt. Bei beiden

Gelegenheiten habe ich die Besucher, Erwachsene wie Kinder, gebeten,

ihre Gedanken und Assoziationen zu den Bildern zu äußern. Verblüffend

war, dass die Aussagen der Kinder genauso qualifiziert waren wie die der

Erwachsenen. Und noch verblüffender: Den Kindern war bewusst, dass

gemalte Bilder etwas Virtuelles sind, denn sie begannen fast jeden Satz

mit „es scheint“.

Ja, ich sehe meine Bilder ganz im Strom der zeitgenössischen Kunst,

indem sie Bilder in den Köpfen der Betrachter anregen möchten, im

besten Fall die Menschen zu Gesprächen anregen. Ich möchte, dass

sich die Menschen über die Bilder unterhalten, in Govone und mit den

Kindern ist das genau so passiert.

experimenta_ Welche Verbindung siehst du zwischen deinen Bildern und Haikus, die ja

schon einmal Thema in der experimenta waren?

Ingeborg Matschke_ Mir fällt dazu eine Aussage von Simonides von Keos ein, das ist der, dem

man die Erfindung der Gedächtniskunst nachsagt: Er nannte die Malerei

schweigende Dichtung, und die Poesie klingende Malerei.

experimenta_ Vielen Dank Ingeborg für das aufschlussreiche Gespräch. Dir weiterhin

alles Gute.

× Ingeborg Matschke, 50 x40 cm

Das Gespräch für die experimenta führte Werner Friedl.

× Werner Friedl veröffentlichte in der experimenta einen dreiteiligen Essay über ein Gedicht von Robert Frost (siehe

Ausgaben 06, 07-08 und 09/2022)

× Ingeborg Matschke, geboren 1955. 1974 Studium für das Lehramt,

einige Jahre öffentlicher Schuldienst. Seit 1982 und bis heute

freiberufliches Unterrichten, u.a. Kunstunterricht. Seit 1980

Beschäftigung mit fernöstlicher Landschaftsmalerei und Philosophie,

vor allem mit dem Taoismus und dem Orakelbuch I Ging. Umsetzung

der Bildwelt des letzteren in Keramiken und poetische Texte. Mehrere

Ausstellungen. Seit 2008 großformatige Tuschezeichnungen auf

Papier. Ausstellungen in Italien und Deutschland. Lebt seit 1997 in

Antignano d'Asti, Piemont.

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PEN-Zentrum Deutschland

Leserbrief

Michael Landgraf

PEN-Zentrum Deutschland

Der PEN Deutschland denkt in diesen dunklen Stunden der Trauer auch an die Hinterbliebenen

des stolzen Vaters und Großvaters Heinrich. Mögen die Lebensfreude und der Glaube, die Heinrich

Peuckmann immer ausgezeichnet haben, ihnen wie uns eine Ermutigung sein.

Das PEN-Zentrum Deutschland trauert um seinen Freund und ehemaligen

Generalsekretär Heinrich Peuckmann. In der Nacht zum Freitag den 3.

März 2023 ist er im Alter von 73 Jahren für immer von uns gegangen.

Michael Landgraf, Generalsekretär, am 3. März 2023

Heinrich, Jahrgang 1949, lebte in Kamen bei Dortmund. Nach seinem

Studium der Germanistik, Geschichte und Evangelische Theologie in

Bochum wurde er Lehrer. Bereits früh engagierte er sich im sozialen und

kulturellen Umfeld, so auch für Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

× Heinrich Peuckmann, Foto: Stefanie Silber

Neben seiner Mitgliedschaft im PEN Zentrum Deutschland gehörte er dem Verband deutscher

Schriftstellerinnen und Schriftsteller sowie den Autorenvereinigungen „Das Syndikat“ und „Die Kogge“

an.

Leserbrief

Lieber Herr Heins!

2013 wurde er ins Präsidium des PEN Deutschland gewählt, als engagierter Beisitzer, bis er 2019 in

Chemnitz dessen Generalsekretär wurde. Heinrich übte seine Ämter mit viel Herzenswärme aus, auch

in einer Zeit, in der ihm durch schlimme Anfeindungen die ehrenamtliche Arbeit schwer gemacht

wurde. Der große Zuspruch für ihn bei der Abstimmung auf der Mitgliederversammlung 2022 in Gotha

hat ihm gut getan. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle erinnern sich mit großer

Dankbarkeit an ihn, denn er setzte sich stets auf besonderer Weise für ihre Belange ein.

Heinrich, der Bergmannssohn, war heimatverbunden, was man ihm an seinem Mut zur dialektnahen

Sprache anhörte. Gerade deshalb hatte er ein Herz für Menschen, die ihre Heimat verloren haben.

Besonders wichtig war ihm daher das Programm Writers-in-Exile, das sich um Schriftstellerinnen

und Schriftsteller kümmert, die bei uns im Exil leben. So setzte er sich auch persönlich sehr für die

Stipendiatinnen und Stipendiaten des Programms ein. Die Menschennähe war ihm stets anzumerken.

Die hochwertigen Bilder in ihrer November-Ausgabe 2022 mit starken Werken u.a. von Yvonne

Bonaparte, besonders „Fratze der Lüge“ (S. 24) oder auch etwa „My Bionic Mystery“ (S. 47), haben,

wie ich das sehe, einerseits eine futuristisch-experimentelle, andererseits irgendwie auch eine zeitlos

vertraute Wirkung - das ist einzigartig experimenta!

Mit besten Grüßen Ihr

Gerwin Haybäck, Salzburg

Heinrichs literarische Schaffenskraft, die 1984 begann, war äußerst vielseitig. Einfühlsame Gedichte,

punktgenaue Essays, spannende Romane und Krimis, ansprechende Kinder- und Jugendbücher sowie

Theaterstücke und rasennahe Fußballbücher zählten zu seinem breiten Repertoire. Zuletzt erschienen

der Roman „Der Sohn der Tänzerin“ und der Gedichtband „Lasse die Zeit stehen.“ Noch 2022 war er,

von der Krankheit bereits gezeichnet, literarisch am Puls der Zeit, als er in der Novelle „Der Schimmer

in der Schwärze“ die Covid-Pandemie verarbeitete und in einem Gedicht der Anthologie „In der Fremde

zuhause“ seine Fassungslosigkeit über den Ukraine-Krieg lyrisch Ausdruck verlieh.

Terminhinweis

experimenta-Lesung: 09. Juni 2023 (Bingen)

experimenta-Redaktionstreffen: 10. Juni 2023 (Bingen)

José F.A. Oliver, Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, sagt zum Tod von Heinrich Peuckmann:

„Sein Tod erschüttert. Wir verdanken ihm viel. Vor allem seinen wohlwollenden Zuspruch. Sein

unermüdliches Engagement trägt den PEN bis heute. Das wird uns zum Vermächtnis. Mit seinem

Namen verbunden. Oder wie er in einem seiner Gedichte einst schrieb: `Ein Wort wird bleiben /

gesprochen zwischen uns / verweht im Bruchteil / der Sekunde.´ Diese Verse zeigen Bleibendes und

Demut zugleich. Im Atemzug der Vergänglichkeit. Wir werden daran denken. Und gedenken dabei

seiner.“

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Essay

Essay

Jens Faber-Neuling

Friedenszeilen

Meine Mutter, geboren 1933, hatte uns Kindern immer mal wieder auch vom Krieg erzählt. Sie erlebte

den Zweiten Weltkrieg als Kind. Meine Oma war Krankenschwester an der Front, und meine Mutter war

mit dabei.

Ihre Erzählungen haben mich geprägt, sodass ich nicht nur einmal vom Krieg geträumt habe, in dem

ich mittendrin war. Ich legte mich in meinem Traum immer auf den Boden und stellte mich tot und…

hoffte. Meine emotionalen Erinnerungen entstammten von Erzählungen. Die, die so etwas miterleben,

hatten und haben ein Vielfaches an Leid zu ertragen.

Was hält ab von Frieden?

Lasst uns nur sinnvolle Dinge tun. Ja, der

Mensch ist ein Gewohnheitstier und er,

der Mensch ist auch noch häufig als Herde

unterwegs.

„Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“,

Du erinnerst Dich noch an diesen Satz. Dieser

ist gut übertragbar auf alles Sinnlose und

wir haben die Wahl und das Potential, Dinge,

Gegebenheiten, Situationen zu verändern,

indem wir unsere Herangehensweise ändern.

Aus dieser meiner Erinnerung heraus, ist es für mich persönlich ein unfassbarer Gedanke, wie

Menschen Krieg und Gewalt unterstützen können in ihren Gedanken und Handlungen.

Jeder kriegerische Gedanke will hinaus und möchte umgesetzt sein, genau wie jede produzierte Waffe

eingesetzt werden wird, trotz des weitverbreiteten Gebotes oder Gesetzes: „Du sollst nicht töten“

und „Liebe Deinen nächsten…“, was in jeder Kultur vorkommt, meines Wissens.

Ich erhalte auch befremdliche Blicke bei der Aussage meiner Überzeugung, es sollten überhaupt

erst keine Waffen gebaut werden. Menschen gehen täglich ihrer Arbeit nach in der Waffenindustrie,

andere spekulieren mit dem Einsatz davon im Handel und an Börsen, predigen dann ihrem Glauben

nach: Du sollst nicht töten…? Welch` Heuchelei.

Waffenindustrie ein großer Arbeitgeber?

Warum sollte jemand mit dem Gebot – Liebe Deinen Nächsten… – und – er solle nicht töten – solch

einer Arbeit nachgehen?

Alles kann als Waffe eingesetzt werden?

Natürlich ist ein Küchenmesser erst einmal ein neutraler Gegenstand und jeder entscheidet und

bewertet dies und hat die Freiheit der Wahl, für was er den Gegenstand einsetzt, zum Schneiden von

Gemüse, zum Kochen oder dazu ein Wesen zu verletzen oder zu töten. Jedoch jede, eine zum Töten

gebaute Waffe der Waffenindustrie, ist mit dieser Ursache behaftet, von der wir die Wirkung kennen.

Tod und Leid!

Die Gier, die falschen Überzeugungen, Wissenslücken, Gruppenzwang, Respektlosigkeit, mangelnde

Selbstliebe, Neid.

Was fällt dir noch ein?

Kein Mensch möchte Krieg heißt es, so lesen wir häufig. Trotzdem schreiben sich viele Medien in den

Krieg hinein. Auch sehen wir wieder den einzelnen Menschen dahinter der mitwirkt, der auch Kinder

hat, Liebende in seinem Umkreis. Und hier kommt wieder meine Frage: Wie kann ein Vater, eine Mutter

Kriegstreiberei unterstützen per Wort und Schrift und oder generell über die Sprache Radio, Internet

und TV?

Bewusstsein, hier darf es hinein in die Köpfe, in die Herzen!

Lebensbejahung ist nicht verhandelbar, noch gibt es einen wirklichen Grund,

Meinungsverschiedenheiten gewaltsam auszutragen.

Wir sind Menschen und haben Debattierfähigkeit, sind intelligent genug, in friedlicher Art und Weise,

ohne jegliche Propaganda uns auszudrücken, auszutauschen, abzuwägen, Kompromisse einzugehen

und all das auf Augenhöhe mit dem Respekt unserem Gegenüber, den – Leben - verdient!

In diesem Sinne, mit dem Glauben an den Menschen, an das MenschSein!

Vielleicht ist das alles zu weit weg für den Betroffenen, der Waffen mitproduziert. Spätestens, wenn

der Tod und das Leid näherkommen, im eigenen Leben anklopft, wenn dieser Mensch sich emotional

hineinversetzt, sucht er sich wohl eine andere Tätigkeit, eine andere, lieber lebensbejahende Branche

aus, um zu wirken.

× Jens Faber-Neuling, 1968 in Koblenz am Rhein geboren, lebt mit seiner Familie in Bad Vilbel. Autor, Redakteur,

Herausgeber, Bewusstseinstrainer und Mentcoach, Berater, Gründer des GIE-Institut für Potentialentfaltung und

Bewusstseinserweiterung.Schreibt Lyrik, Aphorismen, Texte, Essays, Artikel und Sach- u. Fachbücher für Themen

wie Potentialentschaltung und Bewusstseinserweiterung. Veröffentlichungen in Zeitschriften, Anthologien und

Einzeltitel – Bücher. Bücher: „Mittendrin ist nicht genug“, „Glück ist eine Entscheidung“, „Nutze Deine Kraftquellen“

„In Liebe zur Liebe“, erschienen im Wiesenburg Verlag.

50 04/2023 www.experimenta.de 51


Lyrische Prosa

Künstlerin des Monats

Henriette Tomasi

Nacht im Sand

„Nacht im Sand, und das Meer streut Nägel ans Ufer...“

Nico Bleutge

Bedeckt mit Sand, nur Nasenspitze, Mund, Augen schauen heraus. Die Sonne schüttet Licht und

Wärme in Kübeln. „Ich buddele Dich ein.“, hatte er nur Minuten zuvor gesagt. Sie rannte weg, lachend.

Er fing sie. Sie legte sich hin, spürte den warmen Sand auf dem Körper.

Jetzt hört sie das Meer an den Strand branden, Möwen schreien, Muscheln knirschen auf der Haut.

Immer schwerer die Schicht. Wärmend, wohlig. Es dürfe sie nicht jeder eingraben, sagt sie – doch hier

ist es ein Spiel, das beide schon in ihrer Kindheit hätten spielen können. Sie holen es nach – gerade

jetzt.

Sie denkt an die Spuren im Sand, die sie hinterlassen haben, durch die Dünen, den ganzen Strand

entlang. Sie schauen zum Horizont mit der sich inzwischen rot rollenden Sonne. Sie erschrickt, wenn

das Meer ihrer beider Spuren auslöscht. Wenn die Wellen die Füße benetzten, hüpften sie, wichen aus,

mal stellten sie sich ihnen.

Nun liegen sie beide am Strand – alleine. Er auf dem Sand, sie darunter. Ganz still. Auf was warten

sie? Die Wellen berühren ihre Fußspitzen, legen sie langsam frei. Es wird kalt. Sie krabbeln den Strand

hinauf, legen sich in die wärmenden Dünen, schlafen ein, vergessen diesen zerbrechlichen Tag, den

letzten gemeinsamen – nie.

„Nacht im Sand, und das Meer streut Nägel ans Ufer ...“

× Henriette Tomasi lebt in Kronberg, geboren 1969 in Königstein im Taunus,

seit 1997 Goldschmiedemeisterin, freischaffende Künstlerin und Autorin,

1993 – 1997 Studium der Schmuck- und Gerätgestaltung, seit 1997 diverse

Ausstellungen und Auszeichnungen im In- und Ausland, vertreten in

öffentlichen Sammlungen, seit 2013 Verfassen von Wortkompositionen,

seit 2016 Veröffentlichungen von Gedichten, Texten und Zeichnungen

in Anthologien und Literaturzeitschriften: experimenta, Zeitschrift für

Literatur und Kunst, Sommergras, reibeisen, Rhein! Zeitschrift für Worte,

Bilder, Klang, Syltse und anderen … / www.henriette-tomasi.de

× Ingeborg Matschke, 50 x 40 cm

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Aus dem Institut

Aus dem Institut

Freies Studium am INKAS-Institut

Die intensive Auseinandersetzung mit

dem literarischen Schreiben beinhaltet

schwerpunktmäßig die Lehrfächer Creative

„Mein Schreiben hat an Sicherheit und Klang gewonnen, ist zum ständigen

Bedürfnis geworden, das Freude macht und einen festen Platz in meinem

Leben einnimmt. Das Studium ist ein guter Weg, sich dem eigenen Schreiben

zu stellen und Zweifel abzubauen.“ – Anne Mai, Mandelbachtal

Ein Schwerpunkt des Instituts ist das viersemestrige Studium „Creative Writing“. Durch gezielte

Übungen, kontinuierliches Schreiben und die Beschäftigung mit Literaturgeschichte wird die

Kreativität der Studierenden geweckt und in literarische Formen gebracht.

Ab dem dritten Semester können sich die Studierenden mit fachkundiger Unterstützung in Form

eines Lektorats an ihr erstes Buchprojekt wagen. Der institutseigene Verlag edition maya bietet

zudem regelmäßig die Beteiligung an Anthologien. Veröffentlichungen sind auch in der Online-

Literaturzeitschrift experimenta www.experimenta.de möglich.

Das didaktische Konzept sieht die intensive Vermittlung von Creative Writing vor. Außerdem werden

die Grundlagen in den Lehrfächern zeitgenössische Lyrik und Prosa sowie Sachthemen der Literatur

in den Wochenendseminaren vermittelt. Diese finden in der Regel einmal im Monat von Freitag- bis

Samstagabend statt.

× Rüdiger Heins,

Disibodenberg

Insgesamt 6 Studienplätze stehen im Institut zur Verfügung.

Vertrag und Studiengebühren

Writing, zeitgenössische Lyrik und Prosa sowie

Sachthemen der Literatur.

Jeder Studienteilnehmer und jede Studienteilnehmerin schließt mit dem Institut einen Vertrag ab.

Die Studienzeit von vier Semestern ist bindend.

Pro Semester entstehen monatlich (fortlaufend) Kosten von € 150,- zzgl. MwSt.

Die Wochenendseminare finden elf Mal jährlich statt.

Neuaufnahmen erfolgen jeweils zu Semesterbeginn.

Schriftsteller und Studienleiter

Rüdiger Heins ist Gründer und Studienleiter des INKAS-INstituts für KreAtives Schreiben in Bingen

und in der Niedermühle am Disibodenberg bei Odernheim .

Mit seinem Roman „Verbannt auf den Asphalt“ und den Sachbüchern „Obdachlosenreport“ und

„Zuhause auf der Straße“ machte er die Öffentlichkeit auf Menschen am Rand unserer Gesellschaft

aufmerksam (www.ruedigerheins.de).

× Rüdiger Heins,

Disibodenberg

Das Studium steht allen Interessierten, unabhängig von ihrer Vorbildung, offen.

Regelmäßig werden öffentliche Lesungen vom Institut angeboten, an denen sich die Studierenden mit

eigenen Texten beteiligen können.

Ab dem dritten Semester arbeiten die Studenten an einem eigenen

Buchmanuskript, das bei „edition maya“, dem institutseigenen

Verlag, verlegt wird.

Bewerbungsunterlagen (Kurzvita mit Bild und Anschrift) senden Sie bitte an folgende Adresse:

INKAS-INstitut für KreAtives Schreiben

Dr. Sieglitz Str. 49

55411 Bingen

Telefon: 06721 921060

× Rüdiger Heins,

Niedermühle amDisibodenberg

Beginn: 28. April 2023

× Rüdiger Heins,

Disibodenberg

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Schreibaufruf

in eigener Sache

Schreibaufruf

„Die (Un-)Freiheit des Wortes“

Jährlich am 15. November findet bereits seit 1981 der Writers-in-Prison-Day statt. Er macht auf das

Schicksal verfolgter und inhaftierter Schriftsteller, Verleger, Redakteure, Illustratoren, Blogger und

Journalisten in aller Welt aufmerksam und wird vom Writers-in-Prison-Commitee organisiert, das der

PEN-Zentrale London angegliedert ist. Regelmäßig legen diese eine Caselist mit einer Dokumentation

der aktuellen Fälle vor und organisieren für Schreibende, deren Leben und Freiheit bedroht sind, in

Blitzaktionen Kampagnen (sogenannte Rapid Actions), verbunden mit konkreten Vorschlägen für

Hilfsmaßnahmen. Bei Reporter ohne Grenzen wird für das laufende Jahr 2023 derzeit auf drei getötete

Journalisten, 20 Mediemitarbeiter und 530 Journalisten in Haft verwiesen (Stand 27. März 2023).

experimenta-Druckausgabe

Hochwertige Druckausgaben der experimenta

für 12 € zzgl. 3€ Porto können hier bestellt

werden: [email protected]

Bitte die Postanschrift bei der Bestellung

hinzufügen.

In unserem Archiv auf der Website

www.experimenta.de finden Sie auch

Jahrgänge ab 2010.

Abonnement der Druckausgabe der experimenta

Als Unterstützung für verfolgte Schreibende haben wir uns seitens der experimenta entschieden,

im November eine Themenausgabe anlässlich des Writers-in-Prison-Day herauszugeben. Sie sind

eingeladen, daran mitzuwirken. Wir suchen Beiträge zum Thema „Die (Un-)Freiheit des Wortes“:

Als Dankeschön für ein experimenta-Abonnement der Druckausgabe

erhalten Sie eine handsignierte Fotografie von Ulrich Raschke.

• Bis zu 3 politische Gedichte

• Politische Kurzprosa mit einer maximalen Zeichenzahl von 500 Zeichen, inklusive Leerzeichen.

• Auch künstlerische Beiträge wie ausdruckstarke Fotografien, Zeichnungen und Bilder sind

willkommen.

Einsendeschluss ist der 31. Juli 2023.

Ein Jahresabo kostet 120 €. Für die Schweiz und Österreich beträgt die

Jahresgebühr 150 €.

Wir freuen uns darauf, Sie im Kreis der Abonnenten und Abonnentinnen

begrüßen zu dürfen.

Die experimenta-Redaktion freut sich auf Ihre Einsendungen.

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Impressum

Impressum

experimenta

Magazin für Literatur, Kunst und Gesellschaft

www.experimenta.de

Herausgegeben vom INKAS – INstitut für KreAtives Schreiben

im Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e. V.,

Dr.-Sieglitz-Straße 49, 55411 Bingen

Herausgeber:

Prof. Dr. Mario Andreotti und Rüdiger Heins

Redaktion:

Dr. Anita Berendsen (Prosa),

Kevin Coordes (Prosa, Social Media und Werbung),

Philip J. Dingeldey (Prosa),

Katharina Dobrick (Social Media),

Claudia Eugster (Kunst und Kultur),

Jens-Philipp Gründler (Kunst und Kultur, Prosa und

Sound Voices),

Rüdiger Heins,

Prof. Dr. Dr. Dr. Klaus Kayser (Lyrik und Prosa),

Erich Pfefferlen (Endkorrektur und Pressearbeit),

Franziska Range (Bildredaktion, Lyrik, Prosa),

Barbara Rossi (Lyrik und Social Media),

Peter Rudolf (Haiku-Redakteur),

Dr. Annette Rümmele (Prosa und Kunst),

Nora Hille (Gesellschaft),

Barbara Schleth (WortArt, Kultur und Schule, Social Media),

Barbara Wollstein (Filmkolumne)

Korrespondenten:

Prof. Dr. Mario Andreotti (St. Gallen, CH),

Isobel Markus (Berlin),

Xu Pei (Köln),

Christian Sünderwald (Chemnitz)

Layout und Gestaltung: Franziska Range

Webmaster: Christoph Spanier

Künstlerische Beratung: Rüdiger Heins

Druck: BookPress

Redaktionsanschrift:

experimenta

Dr.-Sieglitz-Straße 49

55411 Bingen

Einsendungen erwünscht!

Literarische Beiträge bitte mit Bild und Kurzvita an:

[email protected]

Für eingesandte Beiträge übernehmen wir keine Haftung.

Die Rechte der namentlich gekennzeichneten Beiträge liegen

bei den Autoren und Autorinnen. Alle sonstigen Rechte beim

INKAS-INstitut für KreAtives Schreiben mit Sitz in Bad

Kreuznach und beim Netzwerk für alternative Medien- und

Kulturarbeit e. V.

Für die Inhalte und die künstlerische Aussage der Texte,

Fotografien und Illustrationen sind die Urheber und

Urheberinnen selbst verantwortlich. Sollte gegen geltendes

Urheberrecht verstoßen worden sein, bitten wir um sofortige

Benachrichtigung.

© ID Netzwerk für alternative Medien- und Kulturarbeit e. V.

Auflage: 100.000

ISSN: 1865-5661

URN: urn:nbn:de:0131-eXperimenta-2023-040

Bilder: Privatbilder wurden von den Autoren und Autorinnen

selbst zur Verfügung gestellt.

Titelbild: Roland Adelmann

58 04/2023

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